NO°RD – Böse Wetter
So viel toxische Scheiße, so viel Einsamkeit, so viel Hoffnungslosigkeit. NO°RD sangen davon bereits vor fünf Jahren, als ihr letztes Album durch Mark und Bein fuhr. Das Quintett aus Münster und Dortmund befasst sich notgedrungen mit ähnlichen Themen, weil es einfach nicht besser werden will, zeigt sich zugleich musikalisch und kompositorisch jedoch deutlich verbessert. „Böse Wetter“ drängt den Punk-Ansatz in neue Richtungen, der Post und Indie ebenso mitnimmt wie eine gekonnt eingesetzte Portion Pop, ohne auch nur im Ansatz obligatorische Ecken und Kanten glätten zu wollen.
Der Vorbote „Horizont“, der mit präziser lyrischer Klinge um sich schlug, bringt die Fassungslosigkeit dieses Albums wunderbar auf den Punkt. ‚Soll es das gewesen sein‘, lautet die rhetorische Frage im Hauptteil, umspielt von desolaten bis resignierenden Melodie-Ansätzen, die emotionale Schwere mit dem Versuch einer Hymne kreuzen. Zwischendurch werden die Fäuste gekonnt geschwungen. Das erst holprige, dann drückende „Zahltag“ geht nicht aus dem Ohr. Schwere, massive Wellen umspülen das Geschehen, mittellose Selbstaufgabe ringt mit konkreten Bildern.
Am anderen Ende der Platte wartet „London“. Hier kommen die Indie- und Pop-Ideen mehr denn je durch, ohne sich auch nur ansatzweise in bitterem Schönklang zu verlieren. Wie der Refrain durchbricht und alles von den Sitzen reißt, sofort ins Ohr geht, dabei jedoch nie den doppelten Boden unter den Füßen verliert – ganz großes Kino, unverschämt eingängig und herrlich nervös. In „Wir“ scheint es im endlosen Midtempo nach vorne zu gehen, dann dreht wieder eine Hymne mit nördlichem Flair auf. Das Meer klopft an und schmeckt nach Blut. Eine hektische „Heidschnucke“ zuckt heftig.
Die Art und Weise, wie NO°RD ihre Bilder zeichnen – mal mit beinahe Turbostaat’scher Abstrahierung, dann wieder an die Präzision der Labelmates Lyvten erinnernd – geht mit Anlauf unter die Haut. Und dann wäre da noch die Musik, vielschichtiger und spannender denn je. Tatsächlich bekam die Zeit dem Quartett sehr gut, man zeigt sich um Welten reifer und ausbalancierter, schreibt sogar kleinere Hits und hat rein gar nichts an drastischer Intensität eingebüßt. „Böse Wetter“ ist ein Statement von einem Album. Hier zeigt sich eine Band, die endlich angekommen ist und in aller Punk-Munde sein sollte. Come rain or shine.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 29.09.2023
Erhältlich über: Kidnap Music (Cargo Records)
Website: nordpunk.de
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