Becca Mancari – The Greatest Part

Becca Mancari
(c) Zac Farro

Ihre Kindheit und Jugend machte Becca Mancari zur Reisenden, zur Suchenden. In ihrem christlich-fundamentalistischen Elternhaus war kein Platz für ihre Homosexualität, die Suche nach Identität und Zugehörigkeit begleitete ihr Heranwachsen. Nach dem College ging Mancari auf Reisen durch Amerika und die Welt, sammelte Erfahrungen und schrieb Songs drumherum. „The Greatest Part“ ist ihr zweites Album, nun noch etwas größer und Indie-hafter als zuletzt.

Freilich, „Indie-hafter“ ist ein eigentümlicher Begriff für das, was sich hier abspielt – mehr Experimente, weiter aufgebrochene Songstrukturen, etwas weiter weg vom folkigeren Debüt mit starker Americana-Schlagseite. So meditiert „Bad Feeling“ seine pointierten Lyrics über einem lockeren, elektronisch wirkenden Drum-Pattern, von luftigen Melodien geradezu hypnotisierend begleitet. Das eröffnende „Hunter“ spielt mit Pop-Schemen, mit schroffer Wucht und eingängiger Schönheit. Ähnliches findet sich im rockigeren „Pretend“, ein weiteres kurzes Fragment mit musikalischer Lässigkeit und ermatternder Schwere im Abgang.

Mancari distanziert sich aber keinesfalls von den dominierenden Klängen ihres Debüts. Das Doppel „Stay With Me“ und „Knew“ bohrt sich tiefer denn je in besagte Gefilde, im ersteren Exkurs vielschichtig und sogar etwas experimentell, danach traditionell und reduziert, betont schleppend und gefühlvoll. „Tear Us Apart“ wirft unnötige Spuren konsequent über Bord – reduziert, bewegend, von tiefer Traurigkeit und steter Suche begleitet. Das lebhafte, zuweilen frühlingshaft anmutende „First Time“ und die unverschämt coole Lead-Gitarre von „Like This“ mit dezentem Khruangbin-Flair drängen hingegen in gänzlich andere Richtungen.

Für Mancari war es alles andere als einfach, diese Songs aufzunehmen. Schließlich setzte sie sich noch nie so deutlich und so bestimmt mit ihrer Vergangenheit und Identität auseinander. Zudem glänzt „The Greatest Part“ durch großartige Arrangierungen. Schroffer Indie Rock, lauschige Pop-Momente, feine Experimente und die stete Rückkehr zu Folk und Americana begleiten dieses kurze, aber mitreißende Werk. Respekt für die Offenheit und noch mehr Respekt für ein mitreißendes zweites Album.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 19.06.2020
Erhältlich über: Captured Tracks (Cargo Records)

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