Kind Kaputt – Morgen ist auch noch kein Tag
Die Eskalation klopft an und hat Durst. Nach dem Release ihres ersten Albums „Zerfall“ gingen Kind Kaputt auf Headliner-Tour, veröffentlichten in der erzwungenen Downtime mehrere, später zu einer EP zusammengefasste Singles und machten sich schließlich an eine neue Platte. Wut, Enttäuschung und Hoffnung spielen auf „Morgen ist auch noch kein Tag“ eine zentrale Rolle. Stets greifbare Schwere, eskalierende Gefühlswelten und wertvolles Verständnis legen den Grundstein für das bislang vielfältigste Werk des Quartetts.
Dass Kind Kaputt weiterhin herzlich wenig von Schema F halten, zeigte bereits einer der Vorboten. „Stolpern“ arbeitet mit Reduktion und Autotune, mit Sprechgesang und beschwörender Düsternis – ein mutiger Ausreißer, für sich freilich gewöhnungsbedürftig, im Albumkontext aber spannend. Das gilt auch für „CH2O“, ein balladesker Ausflug mit viel Gefühl und kompakter Arrangierung. Es passiert herzlich wenig, was aber keinesfalls stört. Danach lässt „Wartezimmer“ die Muskeln spielen. Ruhige Strophen, drastischer Refrain, Rock und Post-Hardcore im großen Mixer – so kennt man das, so mag man das.
„Anfang und Ende“ ist zudem ein exzellenter Startschuss für diese Platte. Während die Lyrics drastische Bilder zeichnen, stürzt sich die Band in Stakkato-Frontalangriffe, leicht punkig angehaucht und dabei richtig schön fies. In „Alles erreichen“ treffen experimentelle Strophen – abermals mit Sprechgesang, begleitet von entstellten Gitarren – auf eine mächtige, dicke Rockhymne, die in mehreren Wellen an die Wand drückt. Hier wartet bereits „Gegen Dich“, das schon mal dezente Radioqualitäten aufweist, ohne sich anzubiedern – ein Ohrwurm mit Stahlkanten, wenn man so möchte.
Weiterentwicklung im gesunden Maß trifft mittlerweile gewohnt starkes Songwriting: Kind Kaputt gehen den sprichwörtlichen ’nächsten Schritt‘ auf ihrem zweiten Album. Gut, das impliziert eigentlich schon alleine der Fakt, dass hier neue Mucke vorliegt, aber das Quartett sorgt auch dafür, das alles stimmt. Richtig gute Songs, ein paar kleinere neue Idee, die organisch ins Gesamtbild eingebettet werden, dazu starke Präsentation und aufwühlende Lyrics – was sich auf dem digitalen Papier so einfach liest, ist von großer Cleverness und eindrucksvollem Bauchgefühl geprägt. Schweres zweites Album? Nicht mit Kind Kaputt.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 21.10.2022
Erhältlich über: Uncle M Music
Kind Kaputt @ Home | @ Facebook
„Morgen ist auch noch kein Tag“ @ Amazon kaufen