All Them Witches – Nothing As The Ideal

All Them Witches
(c) Joe Charlton

Ruhe und Vorhersehbarkeit? Für All Them Witches ein Ding der Unmöglichkeit. Obwohl das Trio aus Nashville tief im psychedelischen Universum verhaftet ist, häutet es sich mit jedem Release von vorne und legt neue Facetten frei. Zuletzt bemühte sich „ATW“ um etwas mehr Fokus und Songdienlichkeit. Das kann man vom Nachfolger nicht wirklich behaupten, wobei es, nimmt man es genau, keine eindeutige Richtung gibt. Das in den legendären Abbey Road Studios aufgenommene „Nothing As The Ideal“ drängt zeitgleich gefühlt überall hin und nimmt so ziemlich alle bisherigen Phasen der US-Veteranen mit.

Gleich mehrere XXL-Monster finden hier Platz, und wohl kaum eines ist so stark wie „See You Next Fall“. An der Zehn-Minuten-Marke kratzend, dauert es eine halbe Ewigkeit, bis die heulende Gitarre und der tiefenentspannte Rhythmus den Track wirklich in Bewegung bringen. Meditativer Gesang, ein wenig Alternative-Flair und Reduktion legen diese Westentaschen-Monstrosität frei, aus der sich nur zögerlich eine Prise zügelloser Rock entfaltet, chaotisches Finale inklusive. Ein solches hat auch der Rausschmeißer „Rats In Ruin“ zu bieten, nach einer kurzen Zäsur an den ohnehin legeren Song angebunden. Die laute, heulende Gitarre stammt aus dem amerikanischen Heartland.

„The Children Of Coyote Woman“ gestaltet sich hingegen nachdenklich und folkig, nimmt nie so richtig Fahrt auf. All Them Witches scheinen hier eine kleine Hommage an die 60s und 70s zu versuchen. Freilich fällt das aus dem Rahmen, gerade weil das anschließende „41“ mit bärbeißiger Heavyness kokettiert, entwickelt aber vielleicht gerade deshalb Charme. Eines der großen Highlights wartet gleich zu Beginn: „Saturnine & Iron Jaw“, auf mehreren Loops basierend, spielt ebenfalls mit der Überlänge. Hier packt das US-Trio weite Teile seines Schaffens in einen Track, von meditativer Sinnsuche über breitbeinige Wucht mit unerwarteten Stoner-Untertönen bis zur verspielten Jam-Schwere mit verschmitztem Twist. Eben alles, was All Them Witches ausmacht.

Abgehobener Wahnsinn in bekömmlichen Dosen mit songdienlichen Momenten – tatsächlich scheint „Nothing As The Ideal“ eine Art Balance zwischen den bisherigen Alben zu finden, ohne dabei auf der Stelle zu treten. Die wilden Jams sind wieder da, jedoch mit bekömmlicher Harmonie und treibenden Riffs verbunden. All Them Witches nehmen sich Zeit für allerlei kleine und große Experimente zwischen Folk, Psych und sogar Stoner, hochtrabend und doch mit beiden Beinen auf dem Boden verankert. Herausgekommen ist ein weiterer kurzweiliger Trip zwischen den Stühlen mit unterhaltsamen Details und ganz viel Atmosphäre. Eben das, was man von den US-Amerikanern kennt, und was man an ihnen liebt.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 04.09.2020
Erhältlich über: New West Records / Pias (Rough Trade)

All Them Witches @ Home | @ Facebook
„Nothing As The Ideal“ @ Amazon kaufen