Spiral Drive – Visions In Bloom

Spiral Drive
(c) Capadol

Nicht mehr und nicht weniger als ein eigenes Klanguniversum basteln Spiral Drive. Das gelang bereits auf dem Einstand „Unity“ hervorragend und wird nun weiter vertieft. Mastermind Raphael Neikes schrieb den Vorgänger noch komplett allein, holte sich dieses Mal zumindest stellenweise Hilfe von seinen Mitstreitern David Knevels und Nicholas Stampf. Gemeinsam bohren sich die Mannheimer noch tiefer in eine ureigene Psych-Welt vor, die zugleich mit Alternative- und sogar Stoner-Attitüde ums Eck biegt. „Visions In Bloom“ bemüht abgefahrene Eingängigkeit und spannende stilistische Spagate auf einer ausgedehnten Stunde.

Alle an Bord, der „Space Train“ fährt ab: Eines der frühen Highlights dieser Platte beleuchtet die ruhige Seite von Spiral Drive, das Faible für alte Synthesizer und gemächliche, präzise ausgeleuchtete Stimmungen. Verspielt, fast schon sexy, von einem nahezu konstanten synthetischen Rauschen begleitet, höchst leger und doch so bestimmt – ein wunderbares Stilmittel, das „Inner Truth“ später in abgewandelter Form aufgreift und dabei plüschig bis kitschig wirkt, was aber unterhält. In „Omnesia“ finden sich ähnliche Anleihen, bloß deutlicher ins etatmäßige Psych-Rock-Konzepte eingebettet. Das Ergebnis ist angenehm verwaschen und verträumt, eine gekonnt entstellte Tour de Force zwischen Sein und Schein.

Zwischen diesen beiden Episoden wartet eines der großes Highlights, nicht nur aufgrund der Spielzeit. „Ego Placebo“ bäumt sich über achteinhalb Minuten auf und holt sich Ben McLeod von All Them Witches ins Studio. Daraus ergibt sich ein herrlich bedrohlicher XXL-Jam, gefühlt zwischen gleich mehreren Welten gefangen und von einem monströsen Solo befeuert. Im Vergleich dazu wirkt „Screwed“ mit Yves Krismer von den fantastischen Mother’s Cake linear, ein Hard-Rock-Leckerbissen mit Hooks ohne Ende und ordentlich Lebensfreude. Diese findet sich auch im Bollwerk „Echoes“ wieder, dessen abgedrehte Psych-Impro im Mittelteil gekonnt mit druckvoller Heavyness harmoniert.

Tatsächlich macht „Visions In Bloom“ bei allem Wahnwitz richtig Laune, nähert sich der Überladung und bleibt doch so souverän, so geerdet – und das bei einer Psych-Platte, zumindest im weitesten Sinn. Spiral Drive öffnen sich noch etwas weiter und machen damit alles richtig. Vom relativ straighten Rocker bis zur ausgedehnten Jam-Session hat diese Stunde alles und noch viel mehr. Die Mannheimer liefern ein zweites Album mit hohem Unterhaltungswert, verspielt und doch auf den Punkt. Gerne lässt man sich auf herrlich skurrile Reisen durch Raum und Zeit entführen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 11.03.2022
Erhältlich über: StoneFree Records (Broken Silence)

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