Nightwatchers – Common Crusades

Nightwatchers
(c) Vincent Baudry

Französischer Kolonialismus ist gewiss kein typisches Punk-Thema. Für Nightwatchers spielen politische Texte eine zentrale Rolle, so bereits auf ihren beiden EPs und dem Debütalbum „La paix ou le sable“ geschehen. Mit ihren Lyrics wollen sie auf die Gewalt und die Verbrechen der französischen Kolonialzeit hinweisen und ziehen zugleich Parallelen zur Art und Weise, wie Frankreich heute mit dem Islam umgeht. Diesen durchaus starken Tobak kleiden die vier Herren aus Toulouse in schroffe, scharfkantige Tracks, die zwischen Uptempo-Hooks und ein wenig Post-Düsternis pendeln. „Common Crusades“ setzt die Reise fort.

Zwei akademische Werke über die französische Kolonialgewalt in Algerien und Kamerun wurden in Auszügen zu Songtexten umgearbeitet. Gelegentlich tragen die Songtitel bereits das Thema in sich, so zum Bleistift „G. Kepel, President Whisperer“, das den gleichnamigen Kenner des radikalen Islamismus behandelt und musikalisch zwischem hektischen Punk mit scharfkantigen Akkorden sowie gewissen schwerfälligen Abgründen pendelt. „No Matter Who ‚Osei Kofi Tutu I‘ Is“ holt sich den Gründer des Königreichs von Aschanti in den Namen, dreht die Schlagzahl nach oben und streut ein wenig Melodie in die hibbeligen Dissonanzen ein.

Tatsächlich haben Nightwatchers ein Händchen für eingängige Songs, darunter „White Fathers“ mit seinem gewaltigen Refrain, der prima mit den schwermütigen Strophen harmoniert. Hingegen bemüht „Their Turn Trying To Rule The World“ trostlose Post-Punk-Weisheiten, so hektisch wie hochgradig faszinierend und unbequem. Das passt aber auch, denn die Franzosen wollen nicht unbedingt gefallen, sondern zum Nachdenken anregen. Das gelingt auch „1905 & The Muslim Exception“ superb, dessen Abgründigkeit von einer Art Über-Hook zerschossen wird. Oder ist es doch andersrum?

Wer auch immer gerade wen (musikalisch) zerlegt, „Common Crusades“ bleibt in vielerlei Hinsicht hängen. Hier lohnt es sich definitiv, samt Lyrics zu konsumieren und weitere Lesetipps zu verfolgen. Nightwatchers beziehen laut und deutlich Stellung, was nicht immer angenehm ist bzw. sein soll. Passend dazu pendeln die zehn Songs zwischen aggressivem Punk, düster-beklemmenden Post-Weisheiten, geschickt gesetzen Hooks für zusätzliche Aufmerksamkeit und rasenden Uptempo-Passagen, die förmlich durch die Geschichte hetzen. Gewiss lohnt es sich, hier das eine oder andere Ohr für dieses mitreißende Quartett zu riskieren.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 08.10.2021
Erhältlich über: Lövely Records (Cargo Records)

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