Sam Evian – Time To Melt

Sam Evian
(c) Josh Goleman

Nachdem Sam Evian mit seiner Partnerin Hannah Cohen aus New York City weggezogen war, wurde das neue Heim in der Kleinstadt zu einer Art Gasthaus für jene Bands und Musiker*innen, die er gerade produzierte – ob Big Thief, Cass McCombs oder Widowspeak. Mit Corona war das Paar jedoch von heute auf morgen mehr oder minder von ihrer bisherigen Umwelt abgeschottet. Evian versuchte etwas Neues, schreib an die 60 rein instrumentale Demos und formte diese – gemeinsam mit Cohen sowie, digital, verschiedenen Freunden – langsam zu Songs. „Time To Melt“ gibt sich noch eine Spur psychedelischer als zuletzt.

Das klappt tatsächlich prima, weil die Songs beste Laune vertragen. „Dream Free“, gemeinsam mit Hannah Cohen aufgenommen, ist das Epitom charmanter Lässigkeit, eine warmherzige Traumreise mit zeitloser Instrumentierung und feenleichte Qualität. Das Paar schwebt förmlich über den Dingen. In „Lonely Days“ philosophiert Evian über die letzten eineinhalb Jahre, mit Erinnerungen verknüpft, und schafft nach einem gemächlichen, fast schon anonymen Auftakt die wunderbare Verdichtung mit kuriosen Effekten und ein wenig Plüsch. Selbst ein Saxofon findet Platz in dieser Fahrstuhlmusik für Fortgeschrittene.

Ab und an hält es ihn nicht auf den Sitzen. „Sunshine“ lebt von einer gewissen Portion Funk, von pointierter Lässigkeit, von Tanzbarkeit und psychedelischer Schräglage. Selbst am Dancefloor, selbstverständlich sehr verwaschen inszeniert, verliert sich Evian in seinen Traumwelten, wandelt umher auf der Suche nach dem perfekten Moment. Vielleicht gibt es diesen bereits im eröffnenden „Freezee Pops“, dessen tiefenentspannte Coolness von einer animierten Bassline und dem nicht minder kurzweiligen Rhythmus ausgeht. Abermals entdeckt der Protagonist eine dezente Portion Soul für sich.

Plätschert dieses neue Soloalbum in psychedelischen Untiefen herum? Nun, ja, in gewissen Momenten schon, doch sind dies unerwartet gute Momente. Sam Evian mag die Lässigkeit, lehnt sich immer wieder zurück und lässt die großzügig gefütterte, bunt schillernde Musik für sich sprechen. Wundervolle Überzeichnungen, understater Soul und energischer Funk zur richtigen Zeit geben sich ein prima Stelldichein. „Time To Melt“ schmilzt tatsächlich, wie Erdbeereis in der Sonne, und doch kann man die Augen nicht von dieser klebrig-zähflüssigen Masse lassen. Musik für die schimmernde Seele.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 29.10.2021
Erhältlich über: Fat Possum Records (Membran)

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