Myrath – Karma

Myrath
(c) Marko Ristic

Tunesien ist auf der Heavy Metal-Landkarte immer noch ein ziemlich leerer Fleck. Doch im musikalischen Underground des Landes brodelt es, und mit Myrath ist es bereits einer Band gelungen, über selbigen hinauszuwachsen und auch in Europa relativ große Bekanntheit zu erlangen. Als Progressive Metal-Band mit dem gewissen Etwas gestartet, entwickelte sich die Truppe spätestens auf dem vierten Album „Legacy“ deutlich in Richtung orientalisch angehauchter Power Metal. Nachdem das Quintett diesen Stil auf „Shehili“ bis zur Perfektion ausgereizt hatte, stehen die Zeichen nun auf Stilwechsel – „Karma“ klingt deutlich europäischer als alle bisherigen Alben der Band.

Die Wurzeln der Band hört man auch anno 2024 noch deutlich heraus, nur treten die orientalisch geprägten Elemente jetzt etwas in den Hintergrund, was sich schon beim Opener „To The Stars“ bemerkbar macht. Mitverantwortlich für den Kurswechsel ist sicher auch der neue Keyboarder Kevin Codfert, der im Hintergrund allerdings auch schon auf den vorherigen Banderzeugnissen mitwirkte. Zudem war die Aufnahmeweise dieses mal eine andere, da Myrath wegen des durch die Corona-Pandemie bedingten Tourneestopps 2020 gemeinsam an einem Ort strandeten und aus der Not eine Tugend machten – „Karma“ ist das erste Album der Band, das sie komplett in Gemeinschaft schrieben, aufnahmen und produzierten.

Der aus der neuen Situation resultierende dezente Stilwechsel macht sich nahezu auf dem gesamten Album bemerkbar. Waren die orientalischen Klänge bisher tragendes Stilelement, machen sie nun ein eher schmückendes, aber immer noch prägendes Beiwerk aus – nachzuhören etwa bei den Geigenklängen in der Bridge des Midtempo-Krachers „Into The Light“ und im Intro von „Words Are Failing“ sowie bei der gesamten Instrumentierung des halbballadesken „The Wheel Of Time“. Der neue Stil der Band erinnert nun am ehesten an bombastische Power Metal-Bands wie Kamelot oder Silent Force – nicht zuletzt auch deswegen, da auch die progressiven Elemente noch weiter in den Hintergrund gerückt sind.

Trotz aller Veränderungen sind Myrath aber immer noch in der Lage, großartige Songs zu schreiben. Das bereits erwähnte „To The Stars“, das intensiv-rhythmische, im Refrain gar mit Sprechgesang aufwartende „Candles Cry“, die flotte Melodic Metal-Nummer „Let It Go“ und der an alte Bandzeiten erinnernde progressive Rocksong „Child Of Prophecy“ sind wahre musikalische Highlights der Bandgeschichte. Doch leider trüben ein paar Schwächen den insgesamt positiven Gesamteindruck. So ist ausgerechnet das vorab veröffentlichte „Heroes“ eine ziemlich langweilige, gesichtslose Midtempo-Nummer geworden, die darüber hinaus auch noch die bandtypischen Trademarks komplett vermissen lässt. Auch der schleppende Abschlusstrack „Carry On“ kann nicht vollends überzeugen. Davon abgesehen haben es Myrath aber erneut geschafft, ein sehr gutes Album abzuliefern, das das extrem hohe Niveau der beiden Vorgänger zwar nicht erreichen kann, aber immer noch weit über der derzeitigen Power Metal-Durchschnittsware angesiedelt ist.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 08.03.2024
Erhältlich über: Verycords earMUSIC (Edel)

Website: www.myrath.com
Facebook: www.facebook.com/myrathband