Petite Noir – MotherFather

Petite Noir
(c) Lucie Rox

Der Meister des Noirwave ist zurück. So nennt zumindest Petite Noir seinen Sound, bereits seit Release der ersten Single vor elf Jahren. Nach etwas längerer Funkpause widmet sich der in Belgien geborene, in Südafrika aufgewachsene und heute in London und Paris residierende Kongolese wieder der Musik. Das neue Album entstand unter einem düsteren Stern – teils unter dem Eindruck seines aus dem Amt des Premierministers gedrängten Vaters, teils basierend auf Erinnerungen an erlebten Rassismus während seinen jungen Jahren in Johannesburg. „MotherFather“ durchbricht einmal mehr musikalische Grenzen mit Wonne.

Bereits im eröffnenden „777“, ein recht kurzer Aufgalopp, wird es und schroff. Wütende bis punkige Drums treffen auf Post-Dröhnen, während Petite Noirs Stimme über dem Geschehen thront. Im folgenden „Blurry“ lassen sich Paralellen zu Young Fathers, die er bereits auf Tour supportete, ziehen. Der leicht verschrobene Art-Ansatz mit RnB-Vocals und pointierten Raps von Sampa The Great ergibt ein wildes großes Ganzes. Für „Simple Things“, der zweite Track mit einem Gast, konnte der Grammy-nominierte Jazz-Musiker Theo Croker gewonnen werden. Die herrliche Schwere dieser gut drei Minuten wirkt trotz schemenhafter Düsternis angenehm beschwingt.

Hier gleicht kein Song dem nächsten, und das abschließende „Play“ ragt besonders heraus. Der frontale Ansatz geht direkt nach vorne mit einem Drum’n‘-Bass-Rhythmus, frühlingshaft-poppigen Synthis und herrlich wandlungsfähigen Vocals – mal beschwörend, dann federleicht in RnB-Gefilden tänzelnd. Wieder ein paar Türen weiter wirkt „Concrete Jungle“ wie eine alarmierende Fanfare, dessen reduzierte Instrumentierung um großes Drama bemüht ist. „Best One“ geht sofort ins Ohr mit futuristischem Electro-RnB-Chic und herrlichen Klangschleifen. Das klingt bizarr, aber auch irgendwie eingängig – fast so etwas wie die Überschrift dieser Platte.

Letztlich – und wenig überraschend – geht diese halbe Stunde viel zu schnell vorüber, doch soll dies das einzige Manko dieser neuen Platte sein. Petite Noir versucht abermals viel und schafft immer wieder eine Punktlandung. „MotherFather“ lässt sich zu keiner Zeit in eine Schublade pressen und lotet hingegen die Möglichkeiten des selbstgewählten Soundgewands aus. Synthetische Eingängigkeit trifft post-modernen RnB-Chic trifft clevere Art-Exkurse trifft erdrückende Schwere. Mit nicht minder pointierten Lyrics garniert, gelingt Petite Noir der nächste Volltreffer – ein magisches, einnehmendes Kopfhöreralbum, wie es im sprichwörtlichen Buche steht.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 14.04.2023
Erhältlich über: Roya (Rough Trade)

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