Sprints – Letter To Self

Sprints
(c) Niamh Barry

Das neue Jahr ist nur wenige Tage alt und hat bereits sein erstes musikalisches Glanzlicht. Sprints aus Irland entwickelten ihre ureigene Punk-Vision über mehrere Jahre, unter anderem von einem Savages-Auftritt im Jahr 2016 inspiriert. Die bisherigen Kleinformate sind inzwischen begehrte Sammlerstücke und zeigen eine Band, die sich schrittweise fand, was sich nicht nur in den betont persönlichen, ehrlichen Lyrics von Karla Chubb zeigt. Nunmehr bei City Slang unter Vertrag, gelingt mit dem ersten regulären Album „Letter To Self“ ein absoluter Volltreffer.

Das beginnt bereits beim Opener, passenderweise, der sich überaus vorsichtig herantastet. „Ticking“ legt mit etwas Rhythmus und dem gesprochenen Wort los, doch ist die nervöse Energie von der ersten Sekunde an greifbar. Die höllische, beißende Abfahrt in der Schlussminute kommt gut und bringt einiges an Gefährlichkeit mit. „Heavy“ nimmt davon nur wenig mit und wirkt melodisch bis versöhnlich, ist jedoch von Aufbruchstimmung durchzogen. Nie ist man zu weit von der Action entfernt und bleibt selbst im finalen Muskelspiel überaus hooklastig, ohne auch nur im Ansatz etwaige Kompromisse einzugehen.

Ebenso wenig lässt sich eine gewisse Nähe zu Idles von der Hand weisen. Das passiert gerne mal auf textlicher Ebene, wenn sich Chubb offensiv mit ihrem Trauma, ihren Ängsten und ihrem Schamgefühl auseinandersetzt, um einen Strich unter die eigene Vergangenheit zu machen. Doch auch Tracks wie „Cathedral“, die mit noisigem Post Punk flirten, passen perfekt in diese Umgebung und reißen mit Gusto alles nieder. Spannend ist auch „Can’t Get Enough Of It“, dessen Punk-Ansatz unbequem wirkt und aus einem nicht näher benannten Status Quo ausbrechen möchte. Vergleiche mit verschiedenen musikalischen Schauplätzen von Brody Dalle drängen sich auf. Die Selbstakzeptanz im abschließenden Titelsong „Letter To Self“ bewegt und brennt zugleich unter den Nägeln.

Jeder einzelne dieser elf Tracks liefert auf den Punkt ab und lässt nicht los. Was sich in den letzten Jahren bereits andeutete, wird nun realisiert, wenn Sprints ihren Garage Punk in Richtung Perfektion treiben, dabei jedoch Schönheitsfehler mit wachsender Begeisterung kultivieren. „Letter To Self“ arbeitet sich mit ausgefahrenen Ellenbogen nach vorne, erinnert an die innere und äußere Stärke von Petrol Girls und Sleater-Kinney, nimmt britisch-irische Post- und Garage-Veteranen mit, und ist doch unverkennbar Sprints. Was für ein grandioser, alles überstrahlender Einstand.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 05.01.2024
Erhältlich über: City Slang (Rough Trade)

Website: www.sprintsmusic.com
Facebook: www.facebook.com/sprintsmusic