Spite House – Desertion

Spite House
(c) Pure Noise Records

Trauer ist eine unwillkommene Konstante im Leben von Sänger und Gitarrist Max Lajoie. 2019 rief er Spite House ins Leben, kurz nach dem Krebstod seiner Mutter. Sein guter Freund Marc Tremblay übernahm die Drums, später stieß Nabil Ortega am Bass hinzu. Das erste Album, drei Jahre später erschienen, diente eher als Weckruf, um das eigene Leben in die Hand zu nehmen. „Desertion“ liefert nun jedoch Trauerarbeit in Reinkultur und widmet sich auch Lajoies Vater, der zehn Jahre vor der Mutter freiwillig aus dem Leben schied. Der Frontmann gibt an, dass diese elf Songs rein gar nichts Fröhliches an sich haben, doch sind sie vielleicht gerade deswegen so unfassbar wichtig.

Die schiere Intensität eines „Deafening Calls“ fährt in jeder Hinsicht durch Mark und Bein. Hier sorgt der Post-Hardcore-Ansatz für unerträgliche Spannung, bevor die fast gemächlichen und doch ominösen Strophen langsam, aber sicher die Zuspitzung vorantreiben. Das emotionale Chaos naht mit Riesenschritten, das Leben geht „Down The Drain“. In dieser frontalen, angepunkten Episode gehen Spite House mit unnachahmlichen Drive nach vorne und schütteln aus dem Nichts einen erstaunlich hymnischen Refrain aus dem Ärmel. Der wirkt eingängig und legt gleichzeitig große seelische Gräben offen, die sich nicht so leicht zuschütten lassen.

So etwas wie Akzeptanz bleibt weitestgehend aus, doch macht gerade das den unverblümten Ansatz dieses Albums aus. In „Stale Change“ mischen sich die Emo-Anteile des Einstands zu treibendem Alternative Rock, vermeintlich sonnigen Hooks und doch jener Nachdenklichkeit, hinter der so viel Ungesagtes steckt. „Tied To The Flow“ kämpft mit wechselndem Tempo, mit intimen Strophen und diesen kleinen, kantigen Husarenritten, die anfangs und am Ende jegliche Fassung mit chirurgischer Präzision aushebeln. Und dann ist da noch „Safe Heaven“, das peitschende Finale, dessen wütende Screams und Dissonanzen jeglichen Schmerz rauspressen und sich letztlich in einem Meer an Melodien verlieren.

Eine halbe Stunde am äußersten Rand des Erträglichen, dennoch so verdammt gut: Spite House deuten lichte Momente an und legen doch das Innerste ihres Frontmanns offen, wieder und wieder, auf unterschiedlichste Weise. Die zunehmende Härte spiegelt den Umgang mit immensem Schmerz wider, Worte für das Unaussprechliche werden gesucht, treffen unvermittelt und ringen um Klarheit, die wohl ausblieben wird. „Desertion“ fühlt sich alleine und findet hoffentlich Stärke im Kollektiv – ein alleine schon therapeutisch wichtiges Album, das vielen Menschen helfen könnte, das zudem hinsichtlich Songwriting einen beeindruckenden Sprung offenbart. Selten war Sprachlosigkeit so laut und intensiv.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 12.09.2025
Erhältlich über: Pure Noise Records (SPV)

Facebook: www.facebook.com/SpiteHouseMTL