MTV Video Music Awards 2008
MTV wollte das 25. Jubiläum seiner Video Music Awards spektakulär gestalten. Nach dem Desaster aus dem Vorjahr, als man mit verschiedenen Musik-Suites, einer verunsicherten Spears und nada Struktur punkten wollte, war dies auch dringend notwendig. Ob die Paramount Studios in Los Angeles dafür das perfekte Setting waren, bleibt fraglich. Location und Show wirkten statisch.
Besonders die Performances ließen dieses Mal zu wünschen übrig. Wirkliche ‚Live‘-Momente gab es kaum. Paramore und die brustgetapte P!nk bemühten sich noch redlich, eine Christina Aguilera hingegen verließ sich auf Vollplayback, um eine neue Version von „Genie In A Bottle“ sowie ihre neue „Keeps Gettin‘ Better“ zu präsentieren. Verliert man mit einem Baby die Stimme und muss deswegen Lady GaGa imitieren? Fragen über Fragen…
Bei anderen hätte man sich Playback gewünscht. Kanye West präsentierte seine neue Single. Statt preppy Raps gibt es nun einen Singsang-Lovesong. Rihanna hingegen tötet sich selbst, „Seven Nation Army“ und T.I. Nicht nur, dass sie als Latex-Elvis über die Bühne stackst, sie singt an der Tonleiter vorbei. Und warum musste man O-Zone nun auch in die Staaten holen? Dann doch lieber konsequent wie Kid Rock krächzen und dabei Spaß haben.
Wie gut, dass sich DJ AM und Travis Barker (Blink 182, +44) auf die Bühne getraut haben, ordentlich abgeräumt haben und dabei Katy Perry (auch so eine Wackelkandidatin), Lupe Fiasco und The Ting Tings an den Start bringen konnten – ein würdiger Nachfolger für Mark Ronson als Pausenfüller.
Genial war der britische Comedian / Radiomoderator / Schauspieler Russell Brand. Einem in den Staaten noch relativ unbekannten Typen von der Insel die Moderation anzuvertrauen, war ein großes Risiko. Vermutlich zittert MTV jetzt noch, denn mit dieser Form von Zerstörung hat keiner gerechnet. In der Eröffnungsrede nahm der gute Mann kein Blatt vor den Mund, politisierte die Veranstaltung und rief Amerika auf, für den Demokraten Barack Obama zu werben. Im Akkord wurde die Republikaner-Posse um VILF und die ominöse Schwangerschaft („it’s a PR-Stunt“) zerrissen.
Die eine oder andere Aussage wurde herrlich zensiert, sexual innuendo war an der Tagesordnung. Gerade die Jonas Brothers wurden für ihren Jungfräulichkeitsschwer auf die Schippe genommen, Freundinnen inklusive – eine abschließende Entschuldigung war notwendig. Dazu passen auch die geteilten Publikumsreaktionen – hysterische Lachanfälle versus geschocktes Kopfschütteln. Eines klar, Brand hat mit seiner Schlagfertigkeit Eindruck hinterlassen und aus dem VMAs eine Comedybühne gemacht.
Skurril war mit Sicherheit die Verleihung für den ‚Best HipHop‘-Award durch Slipknot – polierte Masken, Anzüge, Clown mit Baseballschläger. Dazu der erst 19jährige US-Comedian Christopher Mintz-Plasse, der einen Betrunkenen gemimt hat – in diesem Alter natürlich ein No-Go. Große Reaktionen hat allerdings auch diese Einlage nicht gebracht, denn dazu war das Publikum zu statisch. Selten bekam man gefilmte Reaktionen in diesem viel zu kleinen Saal. Die britische Königsgarde ist dagegen ein emotionales Wrack.
Gewinnerin des Abends war mit Sicherheit Britney Spears. Zu einer Performance kam es nichts, dafür durfte sie erstmals in ihrer Karriere einen Moonman nach Hause nehmen. Mehr noch, gleich drei waren es. Spannend waren ihre Dankesreden, wobei die ersten beiden fast ident waren. Die Nervosität war der guten Dame anzumerken. Wie ein Roboter bewegte und sprach sie. Auch die Vergabe von drei Preisen ist nur bedingt nachvollziehbar – Zugeständnisse an eine sichere Quotenbringerin?
Warum es sich hier allerdings noch um Video Music Awards handelt, ist eine andere Frage. Kaum Preise (die sogenannten Randkategorien wurden erst gar nicht präsentiert), nada Überraschungen. Die Muschikatz-Püppchen haben sich den Wolf getanzt, Chris Brown ist der geilste Stecher (nach seiner letztjährigen, legendären Performance nicht gerade überraschend), Lil Wayne der Rap-König und Linkin Park mal wieder Rockmeister. Aus deutscher Sicht darf man sich über Tokio Hotel freuen, die als ‚Best New Artist‘ einen Preis geholt haben.
Wer sterile Anti-Awards mit Videos ohne Videos mag, hat die VMAs 2008 mit Sicherheit genossen. Nicht nur, dass MTV finanziell kleinere Brötchen backen muss, die Relation zwischen Performances, Geplänkel und tatsächlichen Awards stimmt auch nicht mehr. Dafür muss man nicht jedes Jahr tonnenweise neue Kategorien erfinden. Ein guter, kontroverser Host alleine kann da auch nichts mehr retten. Bleibt die Hoffnung auf Liverpool, hat die europäische Ausgabe das Vorbild doch schon längst überflügelt. Zumal es in der einen oder anderen Kategorie tatsächlich noch um Videoclips geht.