Ska-P – Lágrimas y Gozos

Ska-P

Explosiv und personell unverändert – die spanischen Ska-Punker von Ska-P sind wiedervereinigt und melden sich stärker denn je zurück. „Lágrimas y Gozos“ lautet der Titel des Comeback-Albums, womöglich die Beschreibung der dreijährigen Trennungszeit in „Tränen und Freuden“. Letztere überwiegt nun ohne Frage, schließlich gelang es den Madrilenen nicht nur auf der iberischen Halbinsel zu begeistern, sondern sich europaweit einen Namen zu machen. Einen Namen, der für anti-kapitalistische Botschaften steht sowie unsere Konsumgesellschaft anprangert. Und dennoch ist man bei einem Major-Label unter Vertrag. Egal, wer sagt schon nein, wenn es darum geht, die eigenen Überzeugungen möglichst gut zu verkaufen.

„Lágrimas y Gozos“ ist das siebte Studiowerk und bietet eine geladene Mischung aus geschärften Gitarren mit würzigen Blechbläsern. Angefangen bei „Ni fu ni fa“. Von null auf hundert weht ein rauer Wind um die für gerecht geglaubte Demokratie. ’Nichts Halbes und nichts Ganzes’, wie einem Lead-Sänger Pulpuls lautstark entgegenbringt, dessen gewohnt alarmierende Stimme auch über die Jahre nichts von ihrer wachrüttelnden Wirkung verloren hat. Tempo gedrosselt, es folgt „El Libertador“. Besungen wird die Vorstellung einer Vernunft in Südamerika, die eines ’Befreiers’, gegen Ausbeutung und mediale Manipulation im Angesicht von Uncle Sam. Gewohnt melodiös verleihen Ska-P ihrer Kritik Ausdruck, auch in „Crimen Sollicitationis“. Ein sehr differenziertes Arrangement aus erst eher gelockerten Klängen erfährt später eine starke Wandlung. Schwermütige Chorgesänge schaffen dort den treffenden Rahmen für eine intensive Auseinandersetzung mit vermeintlichen Perversionen des Vatikans. Ein klagender und hasserfüllter Rundumschlag! Deutlich gelockerter geht es in „Fuego y Miedo“ zu. Rhythmische Gitarrenarbeit und das hoch getaktete Duett aus Posaune und Trompete entfachen eine Art Feuertanz. Dabei sind es Angst und Blutrache, die hier um sich greifen.

Mit einer Spur von Reggae gibt „La Colmena“ sein nett anmutendes Tanzdichein. Jedoch nicht lange, denn kurz darauf wird neuerlich zur wilden Hatz geblasen. In der Situation eines ’Bienenstocks’ sieht man sich als die Fleißigen, die unter den diktatorischen Herrschern des Staats leiden, welcher nur die Wohlhabenden schütze. Ska-P lassen es krachen, Unmengen an Energie werden frei. – Da braucht es Zeit für etwas Midtempo. Zeit, schon einmal an Weihnachten zu denken. Auch wenn „Gasta Claus“ eher die Vorfreude trübt, da der Weihnachtsmann im Grunde kein himmlischer Gesandter sei, sondern ein Produkt der irdischen Konsumgesellschaft. Er bietet uns musikalische Eingängigkeit mit nachhaltigem Charakter. Ganz anders in der folgenden Partynummer „El Imperio Caerá“, ähnlich „Sexo y Religion“ 1996. Doch es geht hier nicht um sexuelle Anarchie, sondern ungleich größere Politik. Ska-P prophezeien Amerika, dass es irgendwann ganz gleich allen anderen Reichen fallen wird. – Eine weitere thematische Zuspitzung folgt. „Los Hijos Bastardos De La Globalización“ erzählt die Geschichte eines Kindes. Es ist 12 und wurde zur Arbeit versklavt. Opfer der Globalisierung, ein Begriff, den es wohl noch nie gehört haben dürfte. Deutliche Worte gen Westen.

Dagegen appelliert „Vándalo“ an die Unterdrückten des Neoliberalismus, sich eben gegen diesen aufzumachen. Ein treibendes Schlagzeug gibt sich variabel, dominiert im Offbeat, der die übrigen Instrumente auf den Punkt miteinsteigen lässt. Nach dem soliden Füllwerk „El Tercero De La Foto“, zündet „Decadencia“ wieder ordentlich durch. Auf seinen ausgelassenen Rhythmus besingen Pulpuls und Genossen unseren Niedergang – der Zug wäre abgefahren, unsere Umwelt nicht mehr zu retten. In „Qué Puedo Decir“ klingt es anschließend nicht ganz so absolut. Im konträren Midtempo werden existenzielle Fragen aufgeworfen. Wofür religiöser Mord, wofür Leiden? Und wie sage ich es meinen Kindern? Was direkt zum finalen Track „Wild Spain“ überleitet, der ein weiteres zentrales Thema Ska-Ps angeht, den Stierkampf. Dessen Sadismus und das Bild, was Spanien der übrigen Welt damit gibt, müssten ihr Ende finden. Damit verbunden ist die einzige englischsprachige Zeile, mit der die Band einen internationalen Hilferuf sendet; wiederholt sehr mitreißend orchestriert.

Kurzum: Ska-P machen Laune. So war es und so ist es. Das spanische Achtgestirn versteht es auf „Lágrimas y Gozos“ vortrefflich, seine politischen Statements knallhart zu platzieren. Ska-Punk, der alarmieren will, sich seiner Berufung annimmt und verdammt rhythmisch Party macht – Ska-P haben sich wiedervereint und vereinen damit auch weiterhin ihre Anliegen.

4/5 | Album | bereits erschienen
Rca Int. (Sony BMG)

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Hörprobe „El Imperio Caerá“: