K.I.Z. – Sexismus gegen Rechts

(c) Bernd Jaworek

Uiuiui, diesen böhsen Kannibal in Zivil. Die Geschmackspolizei schlägt Alarm, Political-Correctness-Verfechter wenden sich mit Tränen in den Augen ab. Dürfen die denn das? Sex, Gewalt und Comics – K.I.Z. sind Hassfiguren der faux-stilsicheren Lakaien und Helden der sarkasmus-behafteten Post-Aggro-Generation. Ob „Hahnenkampf“ nun wegen seiner oberflächlichen Fäkal-Aggression oder wegen der omnipräsenten, für Otto Normalverbraucher bis zur Unkenntlichkeit verfremdeten Ironie abgefeiert wurde – umme. „Sexismus gegen Rechts“ wird wohl ähnliche Reaktion ziehen.

„Rohmilchkäse“ eröffnet mit parodistischem Feinschliff. Aus dem Sicht eines Franzosen werden Deutsche verbal degradiert, natürlich garniert mit Klischees beider Lände. Nur 82 Sekunden, die allerdings den weiteren Verlauf des Albums gewissermaßen vorgeben. „Lass die Sau raus“ ist eine Art Fortsetzung von „Pogen“. Hier zeigen sich die rhetorisch begabten K.I.Z. mit ausgefallenen Rhymes und Metaphern, mit Fäkal-Analogien und Provokationen in alle Richtungen. Im selben Atemzug muss man auch das speziell für Österreicher interessante „Straight Outta Kärnten“ (eine kleine N.W.A.-Hommage an dieser Stelle) erwähnen. Klingt oberflächlich nach einer Liebeserklärung an den bei einem Autounfall verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider, rechnet aber bei genauerem Hinhören mit brauner Blindheit, Stefan Petzner und falschem Totenkult ab – ein wahres Schmankerl.

Dazwischen steht unter anderem „Einritt“, eine wütende Streetsingle. Getragen von wütenden Bässen und Synthis melden sich die Kannibalen zurück und tragen verdammt dick auf. Besonders schön: eine kleine Hommage an Michael Jackson. Namedropping liegt K.I.Z. im Übrigen, werden unter anderem Callejon und Mystikal genannt, Jay-Z und Tony D. gesampelt. Dazu kommt mit Sido ein einziger nennenswerter Gast. Sein Auftritt bei „Das System“ spricht für den Humor des Maskenmanns, ist der Track doch der Umkehrschluss des rappenden Lattenmessens. Je kleiner das Glied, desto größer der Spaßfaktor.

Längst ist nicht jede Idee so originell wie die erste Single „Halbstark“, ein wunderbares Cover, das einen Mittdreißiger seine Jugend nachbumsen lässt. Auch „Ringelpiez mit anscheissen“ als RnB-Bankrotterklärung macht Laune – einer der wenigen Songs in der zweiten Hälfte des Albums, der wirklich Sinn macht. „Sexismus gegen Rechts“ wird gerade gegen Ende etwas müde. Besonders der Proll-Punker „Klopapier“ geht etwas zu weit, ebenso das gewollt unironische, semi-balladeske „So alt“.

K.I.Z. müssen somit weiter am Legendenstatus arbeiten und kommen insgesamt nicht ganz an „Hahnenkampf“ heran. Ihr Wortwitz, ihr Sarkasmus, ihre geschliffene Rhetorik und ihr sozialkritischer Partyfaktor allerdings sind nach wie vor unerreicht. Über weite Strecken herausragend, man darf zu „Sexismus gegen Rechts“ also ruhig pogen. Auch wenn das „gegen Rechts“ nur selten auftaucht.

VÖ: 10.07.2009
Royal Bunker / Vertigo Berlin (Universal Music)
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