Stereophonics – Graffiti On The Train

Stereophonics

Rückblickend haben sich die Stereophonics mit „Keep Calm And Carry On“ keinen Gefallen getan. Nach ihrem Best-of-Album wollten Kelly Jones und Konsorten gängige Strukturen aufbrechen und experimentieren, es fehlten jedoch wirklich große Songs. In Großbritannien verfehlte man erstmals die Top 10, in Deutschland gar die Top 100. Ist die Zeit für einen Neuanfang gekommen? Mittlerweile veröffentlicht man über das bandeigene Label Stylus Records, erkundet dafür weiterhin neue und alte musikalische Betätigungsfelder. Der große Unterschied zum Vorgänger: „Graffiti On The Train“, das bereits achte Studioalbum der Waliser, ist trotz aller oberflächlicher Zerrissenheit in sich stimmig.

Anknüpfungspunkte zu früheren Großtaten sind in ausreichender Zahl vorhanden. Das angenehm schwerfällige, mit Streichern unterlegte „Graffiti On The Train“ nimmt die Dramatik von „Mr. Writer“ auf, ohne die eigene Existenz zu leugnen. Jones‘ rauchiges, leicht bluesiges Organ geht an die Substanz, der Song wächst während seinen großzügig dimensionierten fünf Minuten Spielzeit stetig an. Auch das als limitierte Vinyl-Single veröffentlichte „In A Moment“ hätte beispielsweise auf „Language. Sex. Violence. Other?“ prima funktioniert – leicht verrucht, dezent melancholisch, das entrückte Gitarrensolo in die Mitte des Geschehens rückend. Man wähnt sich auf der Autobahn, rundherum ist alles finster, die Nacht verschluckt den einsamen Reisenden langsam aber sicher.

Die aktuelle Single „Indian Summer“ mit seinen witzigen Strings und der beinahe aufdringlichen Pop-Melodie hingegen entspricht dem britischen Zeitgeist, geht allerdings dezent auf die Nerven. Beinahe klingt es, möchte man unken, als ob die Stereophonics einen Song extra fürs Radio geschrieben haben. Auch das folgende „Take Me“ mit weiblichem Counterpart und düsterer Grundstimmung funktioniert nicht so recht.Viel spannender ist da schon „Roll The Dice“, das wie ein früher Killers-Rocksong beginnt und sich nach und nach steigert. Das bombastische Spaghetti-Western-Finale erinnert sogar an Muse – eine grandiose Reise. „Violins And Tambourines“ knüpft nahtlos daran an, hat was von einem Bond-Theme, wirkt zu jeder Zeit bedrohlich, riskant. Im krassen Gegensatz dazu macht sich Kelly Jones für „Been Caught Cheating“ nackig und stellt sich in die Tradition großer Blues-Musiker, ein Hauch von RnB inklusive.

„Graffiti On The Train“ lebt von seinen Gegensätzen, die dem Album einen leicht zerfahrenen Eindruck verleihen. Eigentlich dürfte dieser Sprung von Radio-Pop über Stadion-Rock bis hin zu Blues nicht glücken, gerade als Gesamtkunstwerk geht diese mutige Reise jedoch voll und ganz auf. Drei der zehn Songs sind verzichtbar (der Rausschmeißer „No One’s Perfect“ ertrinkt in Selbstmitleid) und drücken die Gesamtwertung, doch der Schein trügt: Die Stereophonics sind auf dem richtigen Weg und haben das Zwischentief erfolgreich überwunden. Kelly Jones scheint langsam aber sicher einen Begriff davon zu bekommen, zu welchem Spagat er tatsächlich fähig ist. In den Fingern des Walisers steckt mindestens ein weiterer Klassiker. Die Frage ist, wie schnell er ihn rauslässt.

Stereophonics - Graffiti On The Train

Graffiti On The Train
VÖ: 01.03.2013
Stylus Records (Indigo)

Stereophonics @ Home | @ Facebook
„Graffiti On The Train“ @ Amazon kaufen