Douglas Dare – Whelm
Ein faszinierender Künstler wagt sich an das Albumformat. Singer/Songwriter Douglas Dare ließ im vergangenen Jahr mit der EP „Seven Hours“ aufhorchen. Gemeinsam mit Produzent und Perkussionist Fabian Prynn begab sich der in London lebende Musiker im November des vergangenen Jahres in die Studios von Klangschmied Flood, wo schon PJ Harvey und Depeche Mode aufnahmen. Binnen kürzester Zeit enstand eine Platte, die neoklassische Klaviermusik-Ansätze mit Elektronik und alten Synthesizern vermischt. Das Ergebnis: „Whelm“, weder over noch under.
Mit „Clockwork“ eröffnet jener Song das Album, der es problemlos mit dem Schaffen James Blakes aufnehmen könnte. Dares weicher, für sich einnehmender Gesang tritt in Einklang mit durchaus verspielten, majestätischen Klaviertönen und kurzem Abdriften in feinsinnige, semi-balladeske Strukturen. Nach gut zwei Minuten setzen schließlich Nebengeräusche ein – die schrubbende Bassline, unwahrscheinlich laute Beat-Fragmente, Portishead-Understatement. Über diesem elektrisierenden Cocktail schwebt eine große Stimme.
Der Gesang nimmt schon mal eine untergeordnete Rolle ein, wirkt beispielsweise im eindringlichen „Nile“ wie eines unter vielen Instrumenten, während er in „Unrest“ mit dem Mini-Moog, Dares neuem Lieblingsinstrument, zu kämpfen hat. Die Art und Weise, wie Vocals und Elektronik interagieren, berührt, gerade in mit Post-Dubstep-Elementen ausgestatteten Monstern wie dem hypnotisierenden „Swim“. Und doch gilt Dares eigentliche Liebe dem Klavier. „London’s Rose“ beschließt dieses Album berührend schlicht, einzig mit Stimme und dem Tasteninstrument eingespielt. Dare singt sich in dieser Halb-Ballade in einen Rausch, torpediert verträumte Motive mit einzelnen bestimmten, druckvollen Noten, dem Zusammenbruch nahe.
„Whelm“ ist ein Album auf der Kippe – nicht qualitativer Natur, der Protagonist zuckt immer wieder, dem Abgrund nahe; mit sich selbst, seinen Emotionen und den technischen Errungenschaften von Drum-Computer und Moog kämpfend. Douglas Dare ist ein Songwriter erster Güteklasse, ein leidenschaftlicher Pianist und noch dazu Dichter, der erstmals aus seinem Homestudio ausgezogen ist, um fragile Rohdiamanten nachzuschleifen; nicht auf Biegen und Brechen, bloß dort, wo es sich richtig anfühlte. Das schönste Winteralbum des Jahres erscheint 2014 im Mai.
Whelm
VÖ: 16.05.2014
Erased Tapes (Indigo)
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