Marky Ramone – Punk Rock Blitzkrieg
Es gibt Autobiographien, die scheinen nur darauf abzuzielen, mit ihrer Umwelt abzurechnen, möglichst skandälos aufzutreten, um auch ordentlich Exemplare abzusetzen. Dann wiederum gibt es solche, die Exzesse, Drogenkonsum und dergleichen überschwänglich, unnötig glorifizieren. Marky Ramone tut weder das eine noch das andere. Sein „Punk Rock Blitzkrieg“ ist ehrlich, gerecht, humorvoll und vor allem ein sympathisches Porträt von vier Jahrzehnten im Dienste des Punk.
Im Groben lässt sich „Punk Rock Blitzkrieg“ in vier Überkapitel einteilen: die Zeit vor den Ramones, die Phase bis zum Rausschmiss, Markys Entzug und die Zeit danach. Gerade der Entzug und seine Hintergründe, nämlich der Konsum entsprechender Substanzen, wird von Musikern gerne polemisiert oder gar bagatellisiert. Nicht so bei dem als Marc Bell geborenen 63jährigen, der während seiner Zeit bei den Ramones seinen schleichenden Alkoholismus, der letztlich auch zum Rausschmiss führte, thematisiert, ja geradezu protokolliert.
Vom gescheiterten ersten Entzug bis zum Klinikschock und der Zeit danach mit diversen Gelegenheitsjobs erlebt man einen dankbaren, bodenständigen Typen, der sich selbst und anderen helfen will. Dass er damit letztlich nur bedingt Erfolg hat, steht stellvertretend für die tragische Geschichte der Punk-Legenden. Vom Haupt-Lineup ist einzig er übrig geblieben, die drei Wegbegleiter fiel Krebsleiden oder Drogenkonsum zum Opfer. Diese Kapitel, wie auch die Verhaftung und Verurteilung von Phil Spector, handelt Marky Ramone zum Ende seiner Autobiographie hin vergleichsweise kurz, beinahe im Telegrammstil ab. Man wird das Gefühl nicht los, als würde der Schmerz auch Jahre später noch tief sitzen.
Wohl thematisiert er die bandinternen Reibereien und kuriosen Ticks seiner Mitstreiter – Joeys Zwangsneurosen, Johnnys konservative Ansichten, DeeDees Waschzwang -; keineswegs bösartig, mehr dokumentarisch. Fast spannender ist jedoch ein Blick auf jene Zeit, als Marky Ramone noch Marc Bell war. Er berichtet über seine erste Band Dust, deren beiden Alben heute begehrte Sammlerstücke sind, die Zeit mit dem Travestiekünstler Wayne County und die Hoffnung auf den großen Durchbruch mit den Voidoids.
Zu jedem Zeitpunkt kauft man Marky seine Geschichten ab, die gleichermaßen mit der Distanz der Jahre und dennoch einem tiefen Einblick in sein Seelenleben zu jener Zeit verfasst wurden. Man lacht über witzige Anekdoten aus dem CBGB, schüttelt den Kopf über die eisige Stille im Tourbus und fühlt den Schmerz über den Tod seiner Freunde und Weggefährten. Dazu kommt die bislang beste deutschsprachige Umsetzung des I.P. Verlags, eine Reihe guter Fotografien aus Markys Leben und das Gefühl eine Autobiographie gelesen zu haben, die weit über die Grenzen von Punk oder gar Rock’n’Roll hinausgeht. Kauft man sich dieses Jahr eine Musiker-Bio, es sollte „Punk Rock Blitzkrieg“ sein.
Punk Rock Blitzkrieg
VÖ: 25.09.2015
I.P. Verlag
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