TV Cult – Colony
Wie laut kann Post Punk eigentlich sein? TV Cult sagen ‚Ja‘ und legen los. Dass das Quartett aus Köln erst sein Debüt vorlegt, überrascht durchaus, denn die rohe und zugleich tiefenentspannte Art und Weise, die mit Noise und mit Punk Rock kokettiert, klingt bei aller donnernder Angriffslustigkeit erstaunlich routiniert. „Colony“ verabschiedet sich von etwaigen Formeln des Genres, lässt für die Tanzfläche rein gar keinen Platz und langt stattdessen wiederholt beherzt zu. Und exakt dieser kompromisslose Ansatz weiß von der ersten bis zur letzten Sekunde zu unterhalten.
Dass hier etwas im besten Sinne anders ist, zeigt sich alleine schon anhand der Vocals von Marco Natale. Mal gibt er den finstern, sinistren Crooner, der missmutige Zeilen mehr spricht als singt, dann wieder brüllt er Wut und Frust in bester Hardcore-Punk-Manier heraus – ein spannender Kontrast, der zur ähnlich kontrastreichen Musik passt. Tracks wie „Empty Quarter“ bilden mit ihrer stoischen Ruhe die Ausnahme, schrubben nahezu meditativ durch die Landschaft, selbst wenn Natale um sich schlägt. Auch das selten hibbelige, fast schon tanzbare „Hong Kong Song“ gibt sich ungewöhnlich, dockt sogar etwas an Garage Rock an und macht Laune.
Typischer sind da Tracks wie der Opener „Party’s Over“, die zwar hörbar in der schrubbenden, leicht stilisierten Düsternis des Post Punk verhaftet sind, aber mit beißenden Gitarren und nicht minder aggressivem Gesang wiederholt den Ausbruch proben. Das folgende „White Riot“ fällt sogar direkt mit der Tür ins Haus, dockt an 90er-Dischord-Post- und -Punk-Granden an, wirkt ominös und gefährlich. Auch „Oubliette“, wenngleich fast schon meditativ und zugänglich mit seinen melodischen Ansätzen, droht stets zu kippen, gerade weil Natale drastische Worte mit Bedacht wählt. Das beißende, punkig-flüsternde „Crystal Cave“ zeigt hingegen, was wenige Akkorde bewirken könne.
Keine halbe Stunde dauert dieser Einstand, doch ist das mehr als genug für TV Cult, um ordentlich Eindruck zu schinden. Mehr noch, „Colony“ etabliert sich schnell als kleiner Post-Punk-Rohdiamant, ohne sich auch nur annähernd auf die etablierte musikalische Formensprache zu verlassen … zumindest nicht ausschließlich, denn die wiederholten Ausritte in Richtung Punk Rock, Post-Hardcore und Noise Rock bekommen dem Sound der Kölner richtig gut, begleitet von erstaunlichen Joy Division-Gesten, zumindest was die Crooner-Anteile betrifft. Eigentlich sollte all das, zumindest auf dem Papier, nicht zusammenpassen, doch hat das wohl niemand TV Cult gesagt – eine von vorne bis hinten runde Sache mit hohem Suchtfaktor ist das spannende Ergebnis.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 24.11.2023
Erhältlich über: Flight13 Records (Indigo)
Facebook: www.facebook.com/tlucvt