Albert Mudrian – Choosing Death

Napalm Death

Musik, insbesondere Metal, ist stets auf der Suche nach neuen Ideen, Ansätzen und Extremen. Mitte der 1980er Jahre begann der Siegeszug von Death Metal und Grindcore in den USA bzw. Großbritannien. Bis heute ist die Faszination für diese Stilrichtungen und zig darauf aufbauende Subgenres ungebrochen.“Decibel“-Chefredakteur Albert Mudrian veröffentlichte bereits 2004 seine Chronologie „Choosing Death“ und präsentiert nun die erweiterte, auf Deutsch vorliegende Fortsetzung mit dem Untertitel „Die unglaubliche Geschichte von Death Metal und Grindcore geht weiter…“ – drei neue Kapitel, über 100 neue Seiten und 50 neue Interviews.

Mudrian erzählt die Geschichte der beiden Genres anfangs aus verschiedenen geographischen Perspektiven. In Großbritannien dienen vor allem Napalm Death, die Grind-Urväter als Ankerpunkt, während die US-Szene rund um Possessed aufgebaut wird, deren Sänger und Bassist Jeff Becerra den Begriff ‚Death Metal‘ 1983 erfunden haben soll. Dabei geht es nicht nur um die Musiker selbst, sondern um alles, was die jeweiligen Szenen betrifft: Plattenfirmen, Promoter und Produzenten kommen zu Wort. Der Aufstieg von Fall von Earache Records und deren Mastermind Digby Pearson ist mindestens so wichtig wie Chuck Schuldiners Musikerverschleiß und jene Beharrlichkeit, das Death letztlich zu Visionären machte. Auch Scott Burns‘ Rolle als einstiger Haus-und-Hof-Produzent der Florida-Death-Schule darf nicht fehlen.

Was „Choosing Death“ so sympathisch macht, ist der kumpelhafte und doch nüchtern-analytische Blick auf drei extreme Jahrzehnte. Interne und geschäftliche Zerwürfnisse standen und stehen an der Tagesordnung. Statt Sensationsgier bemüht sich Mudrian um möglichst viele verschiedene Perspektiven, was gerade angesichts der konfusen ersten zehn Jahre von Napalm Death, den geschäftlichen Problemen von Earache Records oder jenen Konfikten, die einst zur Auflösung von Carcass führten, spannend ist.

Die neuen Kapitel drehen sich vor allem um die Zeit nach dem Release der ersten Version von „Choosing Death“ mit neuen Helden und Reunions als Hauptankerpunkten. Carcass, Autopsy, At The Gates, Gorguts und wie sie alle heißen, behandeln den grassierenden Wiedervereinigungsvirus erfrischend kritisch, zuweilen auch zynisch. Dass gerade jene Protagonisten, deren Geschichten sich wie ein roter Faden durch das Werk ziehen – vor allem Napalm Death – in weiterer Folge überwiegend ignoriert werden, verwundert ein wenig. Dafür bietet die erweiterte Diskographie der besten und einflussreichsten Genre-Alben zahlreiche Top-Ansätze für große Einkaufstouren.

Was „Choosing Death“, wie auch schon in seiner Originalfassung, ein wenig fehlt, ist die genauere Auseinandersetzung mit den Vorvätern der behandelten Genres. Prominente Namen wie Discharge und Celtic Frost fallen zwar immer wieder, ohne entsprechendes Vorwissen tappt man allerdings ein wenig im Dunkeln. Dafür ist die deutsche Fassung von Andreas Schiffmann und Mike Borrink sehr gelungen, wiewohl das Lektorat gerne eine Spur genauer ausfallen hätte können. Letztlich bleiben das aber nur Peanuts angesichts eines hervorragendes Standardwerks, das neben Dayal Pattersons Abhandlung über Black Metal zu den wichtigsten Büchern der harten Musik zählt und in dieser Form gerne zumindest alle zehn Jahren ein umfassendes Update erfahren darf.

Choosing Death

Choosing Death
VÖ: 19.09.2016
I.P. Verlag

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