Lyenn – Slow Healer

Lyenn

Pointierter Minimalismus, schonungslose Ehrlichkeit und nackte Emotionen – Lyenns Musik ist irgendwie anders. Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich der Belgier Fred Jacques, der bereits 2009 mit seinem Debütalbum „The Jollity Of My Boon Companion“ für Furore sorgte. Nach einer kleinen EP war jahrelang Stille, teils aus persönlichen Gründen. Nun ist Lyenn wieder bereit, seine Stimme zu einem Instrument umzuformen. „Slow Healer“ kommt mit etwas Verzögerung nun auch nach Deutschland, pünktlich zur gemeinsamen Tour mit Mark Lanegan.

Gesanglich und musikalisch fühlt man sich ein wenig an einen Hybrid aus Radiohead’scher Avantgarde und dem Slowcore von Low erinnert. Selbst das sind bestenfalls bedingt hilfreiche Krücken, denn Lyenn ist eine komplett eigene, herrlich unorthodoxe Entität. Das eröffnende „In Reverence“ verdeutlicht Jacques‘ Hang zu Minimalismus. Im Mittelpunkt steht sein – sanfter und doch eindringlicher – Gesang, begleitet von einer sanft angeschlagenen Gitarre und einem Hauch von Backings zum Schluss hin. Eigentlich passiert kaum etwas, doch selbst in diesen schüchternen, simplen Momenten schlummert bahnbrechende Magie.

Sorgsam instrumentierte Arrangements mit einem Hauch von musikalischem Nichts begleiten auch durch den Rest der Platte. In „Fading“ singt Lyenn stellenweise mit sich selbst im Duett und experimentiert mit Bon Iver’schen Chamber-Pop-Visionen. Wieder eine Tür weiter, in „Ghost Song“, erhebt der Belgier sogar für wenige Momente seine Stimme und erinnert stark an Thom Yorke. Begleitet von schwer in Worte zu fassendem Schmerz, entsteht ein synthetischer Wirbelsturm sondergleichen. Das mit Keyboard-Elementen ausgestattete „Show Me The Way“ wirkt gläsern genug, um jeden Moment zerspringen zu können.

Einzig in „Theme“, dem abschließenden Instrumental, vergreift sich Lyenn ein wenig und verlässt sich ausschließlich auf die spezielle Atmosphäre seiner Musik – mit bedingtem Erfolg. Rundherum weiß „Slow Healer“ allerdings zu bewegen. Der Mut zur Reduktion zahlt sich aus und kreiert ein Album, bei dem man sich fallen lassen kann. Emotionale, zuweilen gar intime Momente zeugen von einem fantastischen Künstler, der viel zu selten eine seiner kleinen Audienzen gewährt. Gebannt wartet man schon heute auf die nächste.

Lyenn - Slow Healer

Slow Healer
VÖ: 07.07.2017
Near Gale Records / V2 Benelux (Bertus)

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