Circuit des Yeux – Halo On The Inside

Alleine und abgeschieden, so arbeitete es sich für Haley Fohr am besten. Für ihr neues Werk unter ihrem wohl bekannteren Pseudonym Circuit des Yeux zog sich die in Chicago ansässige Sängerin, Komponistin und Songschreiberin nachts in ihr Kellerstudio zurück. Anstatt Isolation erfuhr sie jedoch einen Kreativitätsschub, die Stille verhalf ihr zu einem neuen Zugang zum Innersten. Aus den Tiefen des eigenen Herzens schwamm eine kleine Stimme an die Oberfläche und wurde immer lauter. Zugleich wurde der Mythos des Pan von einer Reise nach Griechenland zum weiteren Quell der Inspiration. „Halo On The Inside“ bringt die lauten und leisen Momente des Seins auf geschickte Weise zusammen.
Gerne kollidieren diese Welten, wie im monumentalen Sechsminüter „Skeleton Key“. Zunächst erhebt sich die imposante, vier Oktaven umfassende Stimme aus unsichtbaren Welten, tief aus schwer einsehbaren Sphären nach oben gleitend. Eine mächtige Zäsur mittendrin öffnet noisigen Welten Tür und Tor, fast Industrial-artig im Beat, bevor am Höhepunkt eine E-Gitarre ein virtuoses Solo anreißt. Hinter dieser scheinbar wild zusammengeschusterten Welt steckt anmutige Magie. Anmut ist auch ein gutes Stichwort für den Abschluss „It Takes My Pain Away“, der kaum unterschiedlicher ausfallen könnte – ruhig, elegisch, rein instrumental, auf einer zart aufbrandenden Welle schwebend.
Und doch kratzen diese beiden Tracks bestensfalls an der Oberfläche, hinter der sich so viel mehr verbirgt. Wie „Anthem Of Me“, ein dramaturgisches Meisterstück, eine weitere noisige Glanzleistung, die urplötzlich höchste Höhen ansteuert und wilde, geradezu kuriose Gesten bemüht. Oder der relativ straighte Opener „Megaloner“, der mit einem geradlinigen Beat nach vorne geht, stimmliche Akrobatik bemüht und jenseitige Melodik andeutet. Freilich bleibt es nicht dabei, denn der Himmel verfinstert sich selbst inmitten 80s-Pop-Ansätzen, die eher an Fohrs anderes Pseudonym Jackie Lynn erinnern. „Truth“ könnte mit ein paar Tweaks ebenfalls ein Ohrwurm sein, steuert samt Beat langsam, aber sicher in Richtung Dancefloor, während Abhandlungen über den Wahnsinn versanden.
Schwerlich lässt sich mit Gewissheit sagen, was hier passiert, doch liegt gerade darin der Reiz von „Halo On The Inside“. Assoziative, kunstvolle Musik fühlt sich wiederholt verschiedenen Extremen verpflichtet, steuert diese mit drückender Entschiedenheit an und findet in der isolierten, doch nie auf sich alleine gestellten Stille des Seins zu Momenten sinnstiftender, elementarer Erfüllung. In anderen Worten: Circuit des Yeux gelingt mit dieser kleinen, mehr als feinen Kurskorrektur das nächste Wunderwerk, das mit jedem erneuten Anlauf ein Stück besser, größer, klarer und verunsichernder wird. Bis die kleine Stimme ihr Selbstbewusstsein findet – eine herzerfüllende Platte für Geduldige.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 14.03.2025
Erhältlich über: Matador Records / Beggars Group (Indigo)
Website: circuitdesyeux.com
Facebook: www.facebook.com/CircuitdesYeux