Bill Ryder-Jones – Yawn

Bill Ryder-Jones

Es war eines dieser Alben, das man nicht so schnell vergisst, das derart komplett aus dem Nirgendwo kam und so gewaltig mitreißt, dass man es geradezu lieben musste – und muss. „West Kirby Country Primary“ zeigte Bill Ryder-Jones am bisherigen Zenit seines Schaffens. Der ehemalige Gitarrist von The Coral hatte seine Stimme endgültig gefunden, irgendwo im Spannungsfeld zwischen Singer/Songwriter und kratzbürstigen Indie-Sounds gefangen. „Yawn“ wagt sich nun noch weiter hinaus.

Von kompakten Strukturen hält Ryder-Jones wenig, wiederholt sprengt er die Fünf-Minuten-Grenze. Das geschieht beispielsweise in „Mither“, einem der Vorboten, seiner Mutter gewidmet. Von einer stoischen, elektrischen Gitarre begleitet, hangelt er sich mit butterweicher Stimme in den Song und philosophiert über all die Dinge, die ihr Sorgen bereiten. Immer lauter, immer bestimmter wird er in seinen Zeilen, geht in Richtung Great American Songbook und findet schließlich doch wieder in klassisch britische Indie-Gefilde zurück – ein wahres Wechselbad der Gefühle, begleitet vom ellenlangen, oftmals rein instrumentalen Suchen nach der perfekten Melodie.

So wirkt Bill Ryder-Jones immer wieder komplett losgelöst, von sämtlichen irdischen Fesseln befreit und steht doch mit beiden Beinen fest am Boden. So lässt sich auch der lässige, leicht zynische Folker „No One’s Trying To Kill You“ erklären oder die abermals an Supergrass erinnernde Gitarre am Höhepunkt vom süßlichen, leicht poppigen „And Then There’s You“. In „Happy Song“, einer weiteren, sarkastisch angehauchten Fingerübung, klingt er urplötzlich nach J Mascis und lässt sogar für wenige Akkorde dessen ikonischen Gitarrensound anklingen. „Recover“ besinnt sich hingegen auf komplette Reduktion und macht Platz für, unter anderem, ein todtrauriges Cello.

Tatsächlich reicht „Yawn“ nicht ganz an das Ausnahme-Album „West Kirby Country Primary“ heran, doch liegt die Messlatte, wenn man ehrlich ist, unwahrscheinlich hoch. Bill Ryder-Jones hat einmal mehr reihenweise Songperlen um sich geschart, spielt geschickt mit Emotionen und arrangiert Texte, natürlich mitten aus dem Leben gegriffen, um einen kurzweiligen Mix aus ergreifendem Fingerpicking und lässigem Indie-Charme. Zum Gähnen, wie es der Titel suggeriert, ist hier nichts.

Bill Ryder-Jones - Yawn

Yawn
VÖ: 02.11.2018
Domino Records (GoodToGo)

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