Timesbold – Not Still Here
Jason Merritt ist einer der bekanntesten Unbekannten im Folk- und Singer/Songwriter-Mikrokosmos. Mit seinen diversen Bands und Projekten veröffentlicht er seit über 20 Jahren Musik, zuletzt vor allem als Whip oder mit den Miracle Whips. Zum ersten Mal seit 2008 gibt es ein neues Album von Timesbold, deren Folk und Americana mindestens so viele Iterationen durchmachte wie das Line-up. Dieses, so Merritt, bestehe aus zwei bis zwanzig Personen – je nachdem, wannd und wen man gerade fragt. An den großen Songwriter-Qualitäten des Protagonisten hat sich nichts geändert, wie „Not Still Here“ eindrucksvoll demonstriert.
In 14 Episoden singt Merritt frei von der Seele weg. „What A Fool Am I“ wirkt wie ein Statement in der Tradition großer Country-Veteranen, tiefer denn je in Americana-Gefilden verhaftet und zugleich mit einem gewissen Zwinkern dargeboten. Davon ist im abschließenden „Now I Lay“, das schon mal dezente Vedder-Vibes in sich trägt, herzlich wenig zu hören. Angedeutete Resignation kollidiert mit verhaltenem Optimismus, so aufwühlend diese Form der Reduktion auch ab und an ausfallen mag. Letztlich befindet sich Merritt in einem „Constant State Of Goodbye“ und pfeift sich eins.
Dass ausgerechnet der Opener für Timesbold epische Dimensionen annimmt und knapp fünf Minuten verschlingt, überrascht ein wenig. Tatsächlich bereitet „Stuck In A Wind“ den Rest der Platte aber auf bärenstarke Weise vor, führt in eine befremdliche wie faszinierende Welt ein und sieht zu, wie das Geschehen Fahrt aufnimmt. Der seltene Einsatz von E-Gitarren verpasst der verzerrten, schwerfälligen zweiten Hälfte einiges an Drama und Intensität, verleiht den Worten Merritts zusätzliches Gewicht. Es soll eine Ausnahme bleiben, wenngleich das Country-affine „Old Orleans“ etwas davon mitnimmt.
Jason Merritt ist und bleibt ein starker Storyteller, das kann nicht oft genug gesagt werden. Wenn er auftaucht, dann mit Stil und Nachdruck. Seine Worte auf „Not Still Here“ haben Gewicht und verwalten das Timesbold-Erbe nicht einfach nur, sie entwickeln es weiter. Der Opener mag auf die falsche Fährte führen, zählt aber zugleich zu den interessantesten neuen Tracks. Dahinter wartet vertraute, nicht minder packende Kost zwischen Americana, Country, Folk und Singer/Songwriter, von einer faszinierenden Stimme und nicht minder mitreißenden Texten gekrönt. Merritt muss man zuhören, egal unter welchem Namen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 17.03.2023
Erhältlich über: DevilDuck Records (Indigo)
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