Peter Doherty & Frédéric Lo – The Fantasy Life Of Poetry & Crime

Peter Doherty & Frédéric Lo
(c) Nicolas Despis

Ein cleaner, unsicherer Peter Doherty sucht nach neuen Ansätzen. Seit 2019 ist der einstige Tabloid-Dauergast drogenfrei unterwegs und kämpfte vor allem während der ersten Lockdowns mit vielen Selbstzweifeln. Dass der mittlerweile in der Normandie wohnende Libertines- und Babyshambles-Musiker mit sich selbst halbwegs im Reinen ist, hat er auch Frédéric Lo zu verdanken. Der französische Songwriter und Produzent fragte Doherty für eine Spoken-Word-Tribute-Compilation an, aus der zunächst ein paar Songs entstanden, die schließlich zu einem ganzen Album wurden. „The Fantasy Life Of Poetry & Crime“ zeugt von blindem Verständnis und aufblühendem Selbstbewusstsein.

Natürlich sorgt Dohertys Charakterstimme für hohen Wiedererkennungswert, doch verlässt er sich eben nicht auf seine Leisten. Naturgemäß klingen die Arrangements frankophil, Schwermut kollidiert mit Leichtigkeit, mit Suchen und Finden. Der Wortschwall von „The Epidemiologist“ samt lebhaftem Piano und einzelnen französischen Zeilen spielt ein wenig mit Crooner- und Chanson-Charme, der eröffnende Titelsong hangelt sich vom luftigen Frühlingsspaziergang zu existenziellen Fragen. Die Gitarre übernimmt gerade rechtzeitig. Für „Abe Wasserstein“, einem verstorbenen Freund gewidmet, gibt Doherty den schüchternen Folk-Musiker. Diese Rolle steht ihm hervorragend.

Überhaupt ist diese Platte mit kleinen Rohdiamanten geradezu gespickt. Die komplette Reduktion von „Yes I Wear A Mask“ nähert sich Singer/Songwriter-Gefilden an, die Streicher treiben hingegen wieder zurück in die Normandie. Dort wartet bereits das drastische, fast schon forsche „Invictus“ – fast schon ein Querverweis auf das bisherige Schaffen Dohertys, recht nahe an Indie-Gefilden dran. „The Ballad Of…“ distanziert sich davon hingegen mit abermaligem Chanson-Charme, mit großem Drama, mit elegischem Marsch und beinahe aufbrausendem Finale. Wie sich „The Glassblower“ von anfänglicher Schwere zu verstohlener Euphorie hangelt, bewegt ebenso.

So hat man Peter Doherty selten gehört, so hört man ihn sehr gerne. Natürlich zeigt „The Fantasy Life Of Poetry & Crime“ eine weitestgehend andere Seite des Briten, die kaum weiter vom Sound seiner großen Bands entfernt sein könnte, doch wirkt diese Platte so unheimlich sympathisch. Einen gewissen heilenden Effekt – nicht nur für den Protagonisten – kann man ihr ebenso wenig absprechen. Frédéric Lo liefert zudem ein kleines Meisterstück im Hintergrund und holt Doherty in eine recht neue Umgebung, die trotzdem zu keiner Zeit fremdelt. Entstanden ist ein wunderbares Mittelding zweier Welten mit kurzweiligem Storytelling und spannender Arrangierung – ein kleines Schmuckstück, so unerwartet wie hell funkelnd.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 18.03.2022
Erhältlich über: Straps Originals (Bertus)

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