Interview mit Sharon den Adel von Within Temptation

Within Temptation

Vergangenes Jahr feierte die niederländische Symphonic-Metal-Band Within Temptation ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum – und befand sich gleichzeitig in der wohl größten Krise seit ihrer Gründung. Nun sind alle Steine aus dem Weg geräumt, und so greifen sie Anfang kommenden Jahres mit ihrem siebten Studioalbum „Resist“ wieder an. Beatblogger.de traf Frontfrau Sharon den Adel in Köln und erfuhr, wie nah die Band wirklich vor einer Trennung stand, welche neuen Einflüsse ihren Sound bereichern und welche Botschaft sie mit dem Album übermitteln wollen.

"Resist" ist euer siebtes Studioalbum und steht für einen Neuanfang innerhalb der Band. Wie verliefen die letzten Jahre für euch bis zum Entstehungsprozess des Albums?

Es ist fast fünf Jahre her, seit wir unser letztes Album „Hydra“ herausgebracht haben. Seitdem ist einiges passiert, wir wussten danach nicht so ganz, in welche musikalische Richtung wir uns entwickeln wollen. Dazu kam für mich ein persönlicher Schicksalsschlag und ich war mir nicht sicher, ob ich mit Within Temptation weitermachen kann und will – zumal ich seit 22 Jahren quasi durchgehend auf der Bühne stehe. Ich stellte mir Fragen wie ‚Bin ich noch auf meinem persönlich richtigen Weg?‘ und ‚Macht mir mein Job nach wie vor Spaß?‘, und um die Antworten darauf zu finden, habe ich mir eine Auszeit genommen.

Stimmt es, dass eine Trennung von Within Temptation zwischenzeitlich im Raum stand?

In der Tat gab es eine Zeit, in der wir alle höchst unsicher waren, was unsere Zukunft betrifft. Wir haben in unserer Bandgeschichte viele Höhen und auch Tiefen erlebt, hatten allerdings nie so wirklich Zeit, das alles zu reflektieren. Irgendwann bricht dann alles über dir zusammen und du kommst an einen Punkt, an dem du einfach etwas ändern und Entscheidungen fällen musst, die sich für dich persönlich richtig anfühlen. Rapper Xzibit, mit dem wir für unser Album „Hydra“ ein Duett aufgenommen haben, hat mal zu mir gesagt: „Du kannst dir im Leben alles kaufen außer Zeit.“ Da ist mir bewusst geworden, dass Erfolg und all die positiven Momente in deiner Karriere zwar schön sind, ich aber viel zu wenig Zeit für mich selbst hatte. Daher kam es zu dieser Pause, in der ich mich erst einmal vollständig zurückgezogen habe. So bin ich dann auch zu meinem Soloprojekt My Indigo inspiriert worden. Ich wollte bewusst ganz neue musikalische Facetten zeigen und die Arbeit am Album hat mir gleichzeitig die Leidenschaft für die Band wiedergegeben.

Bleibt es denn vorerst bei einem Album oder wird das Projekt in Zukunft fortgeführt?

Leider ist mein Vater am Tag der Veröffentlichung gestorben, sodass es hinsichtlich Promotion nicht gerade einfach war. Dennoch hat es mir sehr viel Spaß gemacht und ich würde mich freuen, wenn es in irgendeiner Form hier weitergeht. Mittelfristig stehen aber wieder die Band und das neue Album „Resist“ im Vordergrund.

Mit den ersten beiden Singles daraus, "The Reckoning" und "Raise Your Banner", liefert ihr einerseits den bekannten Within-Temptation-Sound, klingt aber futuristischer und experimentiert mit elektronischen Beats. Was war eure Inspiration für die neue kreative Ausrichtung?

Wir haben uns früher oft an Sounds und Stilmitteln aus der Vergangenheit orientiert und klassischen Symphonic Metal produziert, diesmal haben wir den Fokus mehr auf die Gegenwart gelegt und Elemente aus Bereichen wie Pop und Urban einfließen lassen, die aktuell sehr erfolgreich sind. Das Metal-Genre ist momentan leider etwas schwach auf der Brust, die Kids wollen heutzutage eher DJs als Rockstars werden. (lacht) Das Business hat sich also ziemlich verändert, und wir wollten einfach ein Stück weit moderner klingen, ohne jedoch unsere Fans abzuschrecken, indem wir komplett von unseren Wurzeln abrücken. Zwar haben wir den orchestralen Bombast etwas zurückgefahren und alles etwas minimalistischer gehalten, allerdings finde ich, dass dies gut zu Within Temptation 2018 passt.

Eure Entwicklung wird nicht zuletzt auch durch das Cover und den Albumtitel "Resist" deutlich. Welches Konzept verbirgt sich hinter dem Schlagwort "Widerstand", welche Botschaft wollt ihr damit senden?

Wir leben in einer immer schnelleren, technischen und digitalen Welt, Erfindungen wie das Internet, Handys und soziale Medien machen es für uns durchaus einfacher und bequemer, andererseits gibt es auch eine Menge negativer Aspekte. Wie lange wird es dauern, bis die Technik die Überhand über den Menschen gewinnt? Werden Interaktion und Kommunikation miteinander irgendwann gar nicht mehr analog stattfinden? Ein weiterer Nachteil ist der zunehmende Verlust der Anonymität durch Plattformen wie Facebook oder Google, jeder scheint mittlerweile alles über uns zu wissen und wir lassen dies fast ohne Gegenwehr zu. Die Demokratie ist in großer Gefahr, wie man an einigen Ländern sieht, die sich mit großer Geschwindigkeit in Richtung Diktatur bewegen und von Fake News profitieren, die sich leicht über Social Media verbreiten lassen. Viele nehmen sich nicht mehr die Zeit, Informationen kritisch zu hinterfragen und konsumieren nur noch, weshalb es leider auch für Minderheiten wieder schwieriger wird, da überwunden geglaubte Vorurteile eine neue Form der Popularität erfahren. Wir möchten nicht zuletzt mit unseren Lyrics, wie beispielsweise in „Raise Your Banner“, auf diese Missstände aufmerksam machen und jeden Einzelnen zum Widerstand gegen Diskriminierung und jegliche Art der Beschneidung der persönlichen Freiheit aufrufen.

Ihr seid schon mit den neuen Songs auf Tour, dabei erscheint das Album erst im Februar. Ist das nicht ein gewisses Risiko oder lassen sich die Fans gerne überraschen?

Ursprünglich sollte es bereits im Dezember erscheinen, allerdings gab es leider logistische Probleme, sodass wir es um sechs Wochen nach hinten verschieben mussten. Wir glauben, es hat einen Mehrwert für die Fans, die das neue Material gleich in der Live-Version hören können, zumal viele sowieso die Arrangements der Songs auf Konzerten besser finden als auf den Alben. Mit „Raise Your Banner“, „The Reckoning“, „Mercy Mirror“, „Supernova“ und „Endless War“ spielen wir vorerst ’nur‘ eine Hälfte von „Resist“, das Feedback fällt aber überwiegend positiv aus und die Leute mögen es, neben den bekannten Stücken ein wenig überrascht zu werden.

Was steht im Jahr 2019 für euch an und droht den Fans nach "Resist" erneut eine lange Pause?

Zunächst einmal freuen wir uns, wenn das Album im Februar rauskommt und wir im Sommer die großen Festivals spielen können. Das wird mit Sicherheit wieder eine intensive Zeit, aber wir versuchen jeden einzelnen Moment zu genießen. Was danach kommen wird, kann man jetzt definitiv noch nicht sagen. Solange meine Bandkollegen und ich aber Spaß an Within Temptation haben, wird es uns noch einige Zeit geben. Und den haben wir ja gerade erst auf eine neue Art und Weise wiederentdeckt.

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