Interview mit Sharon den Adel von Within Temptation
Seit mittlerweile 17 Jahren steht die niederländische Band Within Temptation für astreinen Symphonic Metal gepaart mit immer neuen, interessanten Anleihen. Ihr neues Album „Hydra“ schoss weltweit in die Top 10 der Charts und konnte Kritiker wie Fans gleichermaßen verzücken. Im Rahmen ihrer aktuellen Tour traf beatblogger.de die sympathische Frontfrau Sharon den Adel zum gleichsam tiefsinnigen wie unterhaltsamen Interview in Köln. So verriet sie, mit welcher Band sie erstmals als Support Act unterwegs waren, und weshalb sie sich des Öfteren mit dem Fahrer ihres Tourbusses anlegten.
Nach zwei Jahren seid ihr wieder auf großer Tournee rund um die Welt unterwegs. Wie sehr habt ihr diese Zeit vermisst und was habt ihr zwischendurch so getrieben?
Wir waren eigentlich immer sehr beschäftigt, auch nach der letzten Tour zum Album „The Unforgiving“ haben wir noch einige Theaterkonzerte gespielt und dazu im November 2012 eine große Show zu unserem 15-jährigen Bandjubiläum absolviert. Zwischendurch waren wir natürlich immer wieder bei Festivals dabei und haben zudem noch ein Coveralbum veröffentlicht. Man kann also nicht gerade sagen, dass uns langweilig war. Dann kam auch schon im September 2013 die erste neue Single „Paradise (What About Us?)“ unseres neuen Albums „Hydra“ in die Läden, sodass man im Grunde gar keine Zeit hatte, das Tourleben großartig zu vermissen, da all unsere Aktivitäten in einem fortlaufenden Prozess stattgefunden haben.
Eure neue Platte "Hydra" kommt als großartige Mixtur verschiedener Genres mit der ein oder anderen Überraschung daher. Wie lange habt ihr daran gearbeitet und welche Struktur steckt dahinter, besonders im Bezug auf die antike Bedeutung?
Insgesamt haben wir das Album in nicht einmal eineinhalb Jahren geschrieben, was eine sehr kurze Zeitspanne für unsere Verhältnisse ist. Wir waren jedoch alle sehr inspiriert und konnten unseren Ideen quasi freien Lauf lassen. Die Symbolik der Hydra, also des schlangenähnlichen Ungeheuers mit mehreren Köpfen, stellt unsere musikalische Bandbreite sehr schön dar: Per se sind war ja eine Metal-Band, aber wir mögen es sehr zu experimentieren und neue Einflüsse zu entdecken, die wir zu unserem Sound hinzufügen können. „Sinéad“ von unserem letzten Album war ja eher dancelastig, diesmal wurde der Fokus wieder verstärkt auf härtere Gitarren-Riffs und weniger auf orchestralen Bombast gelegt. Die echten Fans von Within Temptation wissen schließlich, dass wir uns ständig weiterentwickeln und mit jedem neuen Album mindestens eine neue Facette von uns zeigen. Das muss nicht immer jedem gefallen, aber uns ist Fortschritt definitiv wichtiger als Stagnation und der „harte Kern“ unserer Fans weiß das auch zu schätzen.
Ihr habt für "Hydra" mit Tarja Turunen, Dave Pirner, Howard Jones und Xzibit zusammengearbeitet. Was hat euch zu ausgerechnet diesen Kollaborationen bewogen und wie hat sich die Songauswahl gestaltet, die ja zu dem jeweiligen Duettpartner passen musste?
Es war eigentlich ein ganz natürlicher Prozess: Als wir die Songs schrieben, dachten wir sofort an mögliche Feature Acts und hatten gleich ganz bestimmte Leute im Kopf. Nachdem beispielsweise unser Keyboarder Martijn und ich den Song „Paradise (What About Us?)“ fertig hatten, wussten wir, dass das ein ganz heißes Ding und noch mal eine ganze Spur härter als die Titel auf „The Heart Of Everything“ und „Mother Earth“ ist. Auch Robert (Westerholt, Gitarrist und Lebensgefährte von Sharon den Adel, Anm. d. Red.) fand ihn ebenso mitreißend und kam als Erster auf die Idee, dass Tarja die perfekte Duettpartnerin für den Song wäre. Damit lag er dann auch goldrichtig.
Besonders das Duett mit Tarja hat vielen eurer Fans einen langgehegten Traum erfüllt. Herrschte während der Aufnahmen eigentlich immer ein gutes Arbeitsklima oder gab es auch schon mal künstlerische Differenzen?
Überhaupt nicht, wir lieben ja die Musik und befinden uns deshalb allesamt auf einem Level. Die Zusammenarbeit mit Tarja lief wirklich sehr rund und hat viel Spaß gemacht, die Chemie hat einfach gestimmt. Sie ist ein wunderbarer Mensch; das hat sich besonders während der Aufnahmen noch einmal gezeigt. Wir kannten uns vorher ja nicht persönlich und haben auch keine Gespräche geführt, daher war es umso schöner, wie sich das dann letztendlich entwickelt hat. Natürlich läuft man sich des Öfteren bei Festivals über den Weg, baut aber schon eine gewisse Distanz auf, da wir eben unterschiedliche Fankulturen bedienen und uns nicht an anderen orientieren. Ich würde es nicht als Rivalität bezeichnen, aber es gibt definitiv eine Barriere zwischen den jeweiligen Bands, um die Professionalität und gleichzeitig den Respekt voreinander zu wahren. Man geht weder heuchlerisch auf die Leute zu nach dem Motto „Hey, ich liebe deine Musik“ noch kotzt man sich richtig aus und sagt „Mein Gott, war deine letzte Platte scheiße“, daher weiß man vor einer Kollaboration nie so ganz, was man bekommt. Diesbezüglich wird man mit der Zeit aber immer reifer und weiser, sodass dieser Konkurrenzgedanke immer mehr in den Hintergrund tritt und man froh ist, in diesem Business Kollegen zu haben, die das Gleiche erleben wie du – sowohl Positives als auch Negatives.
Als äußerst positiv sind vor allem die Chartpositionen einzustufen: Sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien und den Vereinigten Staaten habt ihr kürzlich Karrierebestmarken aufgestellt. Wie wichtig sind euch diese nackten Fakten, also Verkaufszahlen und Auszeichnungen?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich mir da früher gar nicht so sehr Gedanken drüber gemacht habe. Mittlerweile, je länger wir im Geschäft sind, empfinden wir es jedoch immer mehr als Geschenk, dass so viele Fans nach wie vor unsere Platten kaufen. Das ist schließlich unser tägliches Brot und man kann über das boomende Downloadgeschäft sagen, was man will, aber letztendlich leben wir vor allem vom Verkauf der physischen CDs und geben uns darum auch stets besonders Mühe mit dem Artwork.
Der Vorgänger "The Unforgiving" als Konzeptalbum zeichnete sich besonders durch symphonisch-orchestrale Klänge gepaart mit härteren Gitarrensoli aus und war nicht weniger erfolgreich. Was hat euch inspiriert, euren Musikstil für den Nachfolger erneut zu verändern und wie ging die Phase des Songwriting vonstatten?
Nachdem wir schon bei „The Heart Of Everything“ viele Elemente des Symphonic Metal eingebaut hatten, wussten wir nach diesem Album, dass wir den nächsten Schritt gehen mussten, um beim Songschreiben wieder kreativ sein zu können. Uns wurde klar, dass es nun nicht mehr durchgängig auf diesen epochalen Sound mit klassischen Instrumenten ankommt. Auf „The Unforgiving“ haben wir daher den Fokus vielmehr auf Gitarre und Bass gelegt, und den orchestralen Bombast nur noch dort eingesetzt, wo er passte. Diesbezüglich wurden wir besonders durch unsere Vorbilder wie Metallica oder Iron Maiden inspiriert. Für „Hydra“ haben wir dann alle Ketten gesprengt und einfach drauflos geschrieben. Am Ende hat es sich schließlich nach wie vor nach Within Temptation angehört, da wir über die Jahre in gewisser Weise einen eigenen Sound kreiert haben, der immer wieder zum Vorschein kommt. Die Tatsache, dass wir so schnell fertig waren, zeugt von der durchgängigen produktiven Atmosphäre, die in uns allen eine unglaubliche Energie freigesetzt hat. Hier und da hört man einige 90er Jahre-Anleihen wie zum Beispiel bei „Tell Me Why“ heraus, die sich an früheren populären Bands wie Alice In Chains orientieren. Insgesamt haben wir auch wesentlich mehr Gitarrensoli als früher verwendet, was besonders bei den Songs „End Of The World“ und „Dog Days“ auffällt, die zudem eine völlig andere Struktur aufweisen, als man es von uns gewohnt ist.
Rückblickend auf euren Karrierebeginn 1997: Was hat euch in all den Jahren sowohl persönlich als auch künstlerisch am meisten verändert?
Früher sind wir natürlich mit ganz anderen Gefühlen und Erwartungen auf die Bühne gegangen als heute. Es war alles noch ziemlich frisch und wir hatten unseren großen Traum, eines Tages groß rauszukommen und die Hallen zu füllen. Dass dieser für uns in Erfüllung gegangen ist, macht uns glücklich und stolz zugleich. Unser Job ist logischerweise mittlerweile zur Routine geworden, dennoch sind wir jeden einzelnen Tag dankbar dafür. In den Anfängen gab es mal eine besonders lustige Geschichte, als wir schon große Kulissen für unsere Shows hatten und im Vorprogramm von Paradise Lost spielten. Die haben uns dafür förmlich gehasst, weil wir über zwei Stunden brauchten, um die ganzen Einzelteile erst aus dem Tourbus und dann auf die Bühne zu schleppen. (lacht) Hinterher sah es fantastisch aus, aber derjenige, der die Kulissen für uns designt hat, hatte sich anscheinend keine Gedanken über die Transportfähigkeit gemacht. Während der Tour gab es dann schließlich eine Art Hassliebe zwischen uns und unseren Kollegen. Die Reaktion der Fans fiel jedoch überwiegend positiv aus, und mit den Jahren haben wir auch gelernt, mit riesigen Bühnenbildern dementsprechend umzugehen. Der Erfolg hat uns da nicht zuletzt etwas selbstsicherer gemacht und uns gezeigt, dass wir in bestimmten Situationen die richtigen Entscheidungen treffen können. Nebenbei hatten wir damals obendrein noch einen total durchgeknallten Fahrer, der uns oft den letzten Nerv geraubt hat. Normalerweise darf der Main Act einer Tour immer direkt hinter der jeweiligen Location parken, aber wir waren dank seiner halsbrecherischen Fahrweise meistens wesentlich früher vor Ort. Also stiegen wir jedes Mal aus unserem Bus aus und sagten ihm, wo er ihn hinzustellen habe, doch kaum kamen wir wieder aus der Halle raus, stand er genau dort, wo er nicht hingehörte. Es war zum Verrücktwerden! (lacht) Weder hat er uns geglaubt, noch auf uns gehört, was auf die Dauer natürlich schwierig ist, wenn du ständig mit dem immer gleichen Fahrer unterwegs bist. Irgendwann wurden nicht nur er, sondern auch wir schief von Paradise Lost angeguckt, nach dem Motto „Was ist das denn bitte für eine merkwürdige Band?“. Wenn wir Zeit finden und abends zusammensitzen, schwelgen wir gerne in Erinnerungen und erzählen uns die lustigsten Storys aus den guten, alten Zeiten.
Da scheint ja auf jeden Fall eine Menge passiert zu sein. Zurück in die Zukunft: Was können die Fans denn von euch in der nächsten Zeit erwarten? Steht eventuell noch eine weitere Singleauskopplung in den Startlöchern? Ich kann mir vorstellen, dass ihr euch nach der langen Tour erst einmal nach ein bisschen Freizeit und Ruhe sehnt.
Wir sind in der Tat dieses Jahr sehr viel unterwegs; die Europatour wurde soeben noch um Portugal und Spanien sowie einige Länder im Mittelmeerraum erweitert, anschließend sind wir wie immer auf vielen Sommerfestivals unterwegs, im Herbst gehen wir nach Nord- und nächstes Jahr wahrscheinlich nach Südamerika. Des Weiteren planen wir noch ein paar Konzerte in kleineren Theatern, unter anderem auch eine Show in Deutschland. Da bleibt kaum Zeit, richtig auszuspannen. Ob es eine weitere Single geben wird, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Wenn wir dann wie so oft knapp eineinhalb Jahre mit „Hydra“ unterwegs gewesen sein werden, möchte man auch mal wieder andere Songs hören, weshalb wir uns sehr wahrscheinlich danach schon im Studio einschließen und fürs nächste Album schreiben werden. Das ist ein ziemlich flotter Rhythmus, den wir aber unglaublich lieben, da es so niemals langweilig wird.
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