Kapelle Petra – Nackt

Kapelle Petra
(c) Sonja Berg

Von der Indie-Kuriosität zum humorvollen Evergreen: Auch nach über einem Jahrzehnt tobt „Geburtstag“ noch durch das Netz, mittlerweile mit über 3,5 Millionen Klicks auf YouTube. Und die Band dahinter? Kapelle Petra besteht seit 1996, veröffentlicht fleißig Alben im viel zu kleinen Rahmen und ist wesentlich mehr als eine, pardon, Spaß-Kapelle. Ihre sechste Platte „Nackt“ ist zugleich auch ihr bis dato bestes Werk.

Bestens gelaunte Songs mit doppeltem Boden gibt es natürlich nach wie vor bei der Kapelle. Für die erste Single „Seitdem ich Johnny Cash bin“ stellt sich der Ich-Erzähler als Getränkeverkäufer und Imitator des Man in Black vor. Fluffiger, angenehm direkter Indie Rock mit poppigem Unterbau – der bewährte, kurzweilige Sound dieser Platte – trifft auf verschmitzte Textzeilen über einen unorthodoxen Flirt mit der Entertainment-Industrie. „Perfektes Paar“, ein sauber entschleunigter Track, besingt eine in die Jahre gekommene Beziehung. Natürlich geht es hier nicht (nur) um Menschen.

Wunderbare Metaphern und großartige Liebeserklärungen säumen den Opener „Weltkulturerbe“, quasi Sportfreunde Stiller vor dem Radio-Kollaps. Hier stellt die Band ihre musikalische und lyrische Cleverness unter Beweis – einfaches Konzept, fortgeschrittene Umschreibung, grandioser Song. Zwischendurch überrascht „Ich und mein Hund“ mit härteren Tönen, die ein wenig an Crossover-Madsen erinnern, dann setzt „Alles ist gut“ auf zittrige Melancholie nebst falscher Hoffnung und geht damit unter die Haut. Wer hingegen auf den beinahe obligatorischen, schrägen Mitsingsong wartet, lässt sich das vogelwilde „Bundesjugendspieleteilnahmebescheinigung“ vor den Latz knallen und hat große Freude daran.

40 Minuten ohne Netz und doppelten Boden, dafür mit durch die Bank unterhaltsamen Songs: Wer Kapelle Petra bislang nur als YouTube-Kuriosität kannte, lässt sich von „Nackt“ angenehm überraschen. Humorvoll und selbstironisch, aber auch ernst, nachdenklich und sogar romantisch gestaltet sich diese kleine Sammlung an Indie-Leckereien – kunterbunt, vielfältig und mit so mancher unerwarteten Wendung. Das klingt souverän, erfahren und weise, ohne jedoch auch nur einen Moment auf Nummer sicher zu gehen. Kapelle Petra zeigen sich in bestechender Form mit einem neuen kleinen Lieblingsalbum.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 22.03.2019
Erhältlich über: Odyssey Music Network (Rough Trade)

Kapelle Petra @ Facebook
„Nackt“ @ Amazon kaufen