Sophia – Holding On / Letting Go

Nach einem knappen Vierteljahrhundert – erstmals seit dem Debütalbum „Fixed Water“ – gibt es Sophia wieder im Bandformat. Der mittlerweile in Berlin wohnhafte Robin Proper-Sheppard hat sein Kollektiv aus wechselnden Musikern in ein halbwegs festes Line-up gepackt. Sicherlich mag das nur eine Momentaufnahme sein, doch das neue Basislager des musikalischen Nomaden und das frische kreative, personelle Umfeld bekommt Proper-Sheppard, wie auch Sophia, offenkundig gut. Ursprünglich für April angekündigt und aus bekannten Gründen mehrmals verschoben, entdeckt „Holding On / Letting Go“ das ‚Wir‘ des Lebens für sich und erkennt, dass man doch nie so ganz alleine ist.
Zu den aufgrund der Verschiebung weit vorab bekannten Stücken zählt „Alive“, dessen rauchige Schwere gemächlich anrollt und mit jazzig angehauchten Vibes kokettiert. Terry Edwards, der bereits mit PJ Harvey und Nick Cave spielte, gastiert samt Saxophon und trägt den Track mit seinem finalen Solo endgültig in einen lässigen Club. Der zweite Vorbote „We See You (Taking Aim)“ könnte kaum konträrer klingen, nicht zuletzt aufgrund seiner verknappten Spielzeit. Der frontale, durchaus ruppige Ansatz, Proper-Sheppards hektische Vocals und durchaus fiese, ungezwungen rockende Stahlkanten brennen sich sofort ein.
Auf „Holding On / Letting Go“ reagieren die Gegensätze, so ziemlich jeder Track klingt etwas anders, legt eine andere Facette des Sophia’schen Sounds offen. „Undone. Again.“ platziert sich beispielsweise irgendwo zwischen Indie und Alternative, vermengt Schwermut mit Aufbruchsstimung und großartigen Harmonien. Der Rausschmeißer „Prog Rock Arp (I Know)“ verzichtet hingegen auf Gesang und tritt ein packendes instrumentales Kammerspiel los, vom bedrückenden „Gathering The Pieces“ kurz aufgenommen und in semi-balladeske Schwere umgedeutet. Der Elan des eröffnenden „Strange Attractor“ hisst die Segel im ärgsten Sturm und kommt doch unbeschadet durch – sehr forsch, sehr leidenschaftlich und angenehm getrieben. Mit „Days (As Time Slips Away)“ setzt es sogar eine radiofreundliche Nummer mit Glum-Untertönen und feinsinnigem Schmelz.
Unterm Strich wirkt diese neue Sophia-Platte sehr vertraut und doch, zumindest in Nuancen, etwas anders. Packende Kniffe und Wendungen begleiten das Geschehen, treibende Rocker, balladesker Schwermut und erhabene Indie- / Alternative-Kunst existieren harmonisch nebeneinander. „Holding On / Letting Go“ packt unheimlich viel in seine 42 Minuten und klingt trotz verschiedenster Stimmungen wie aus einem Guss, so energisch und feinsinnig wie schon lange nicht mehr. Das frische Umfeld bekommt Robin Proper-Sheppard gut und fügt seiner ohnehin illustren Karriere ein neues, begeisterndes Kapitel hinzu.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 25.09.2020
Erhältlich über: The Flower Shop Recordings (Cargo Records)
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