boy pablo – Wachito Rico

boy pablo
(c) Michael VC Angeles

Vor drei Jahren machte Nicolas Munóz erstmals so richtig von sich reden. „Everytime“ ging viral, das Video wurde bis heute 33 Millionen Mal geklickt und brachte den norwegischen Teenager mit chilenischen Wurzeln schnell auf das Web-Raketenschiff. Mittlerweile ist boy pablo 21, veröffentlichte zwei überaus sympathische EPs mit Jangle-Bedroom-Pop-Perlen und schaffte sich nebenher ein weiteres Alter Ego, das nun den Titel seines Debütalbums ziert: „Wachito Rico“.

Wo genau die Grenzen zwischen Munóz und Rico verlaufen, bleibt ein Rätsel. Über gut 40 Minuten zeichnet boy pablo das Auf und Ab einer jungen Liebesgeschichte nach, passend zu seinem leichtfüßigen und doch nachdenklichen Sound. Deutlich an 60s-Gitarrenbands, späteren Indie- und Retro-Pop-Veteranen angelehnt – der Vergleich mit Los Retros drängt sich durchaus auf – breiten sich die sympathischen Kleinode aus. „te vas // don’t go“ bringt die sonnige Schwere dieser Platte auf den Punkt. Obwohl dieses ausladende Stück Musik über den Dingen steht, stellenweise geradezu schwebt, ergreift eine gewisse Melancholie schnell Besitz und diktiert das Geschehen. Selbst die verschwommene, verspielte Melodie kann nicht über das verheerende Gehenlassen hinwegtrösten.

In aller Kürze schreibt boy pablo dafür richtig gute Songs. Sein „leave me alone!“ bringt lässigen Indie-Twang mit britischer Ausprägung mit, gibt sich tanzbar und federnd, zugleich fest mit beiden Beinen auf dem Boden verankert. Der vermeintliche Widerspruch in sich macht dieses Album so sympathisch und selbst käsige Anwandlungen wie den Titelsong „wachito rico“ unterhaltsam. Synthetischer 80s-Schwulst, nur wenige Schritte vom Discofox entfernt, tänzelt durch einen Weichzeichner-Club und macht dennoch Spaß. Im Opener „i hope she loves me back“ deutet Munóz ähnliche Anwandlungen an, bevor es in einen herrlich entfremdeten Gaze-Track geht. Der vorwitzige Charme von „honey“ und die unerwartet tanzbare Hoffnung auf einen „mustache“ sind im besten Sinne catchy und quirky.

Genau dieser unerwartete Spaß an Melodien und Ideen, die anderswo cheesy bis peinlich anmuten würden, macht „Wachito Rico“ zu einem besonderen Album. Munóz‘ Selbstbewusstsein für einen eigentlich ins Archiv der Musikgeschichte verdammten Sound beeindruckt und begeistert, denn hier passt zusammen, was nie und nimmer funktionieren dürfte. Als boy pablo legt der 21jährige die knöcherne Struktur antiquierter Treble-Sounds offen und holt sie auf vorwitzige, intelligente Weise in das Hier und Jetzt. „Wachito Rico“ bestätigt die erstaunliche Frühform der beiden EPs und zeigt, dass die virale Video-Explosion kein Zufall war.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 23.10.2020
Erhältlich über: 777 Music (Rough Trade)

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