Los Retros – Retrospect

Mauri Tapia ist kaum aus der High School raus, schon nähert er sich dem großen Durchbruch. Bereits seit seinem 16. Lebensjahr veröffentlicht er als Los Retros Musik, irgendwo zwischen Soft Rock und Alternative Pop angesiedelt. Der Retro-Vibe steckt bereits im Künstlernamen – die 60s und 70s lassen grüßen – jetzt kommt er auch auf Platte. Zwei Monate nach dem digitalen Release erscheint die erste EP „Retrospect“ endlich auch auf Vinyl.
Nun ist Soft Rock sicherlich alles andere als hip, was Tapia nicht davon abhält, sechs smoothe Songs mit sommerlichen Vibes auszupacken. Die schärfste Waffe im Köcher ist ohne Frage „Friends“. Nicht zum letzten Mal geht es um Beziehungen – platonisch wie romantisch, von herrlich butterweichem Gesang mit ein wenig RnB-Schmalz getragen. Die locker angeschlagene E-Gitarre gehört zum Inventar, ebenso das leger blubbernde Arrangement mit reduziertem Beat. Ohne den jugendlich-verschmitzten Charme würde man beinahe an Fahrstuhlmusik glauben, tatsächlich steckt aber richtig viel gute Laune in diesen etwas über zweieinhalb Minuten. Der sprichwörtliche Schalk sitzt nicht nur im Nacken.
Gekonnt werden AOR-Trademarks entfremdet und in die Länge gezogen. „Never Have Enough“ arbeitet fünf Minuten lang mit feinstem Schwulst und psychedelischen Untertönen. Tapia gibt den Crooner, von leicht kitschigen und klischeehaften Backings begleitet. Selbst die etatmäßige Kopfstimme ist dabei, doch was wie eine Persiflage anmuten müsste, ist einfach nur verdammt charmant und lässig ausgelegt – siehe und vor allem höre auch das abermals mit Psych-Elementen ausgestattete „Love Tape“. Das abschließende „Last Day On Earth“ bricht ein wenig mit dem Sound der EP, lässt Cocktailgläser scheppern und bringt ein wenig Nihilismus in den Hedonismus der zelebrierten Untergangsvision.
Mit vollstem Elan gegen Coolness: „Retrospect“ ist eine jener Platten, die rein theoretisch nicht funktionieren dürfte und sollte. Los Retros bringen vergessen geglaubten Kitsch zurück aufs Tableau und suhlen sich im Fahrstuhl-Sleaze. Und doch will man diese Tracks feiern, weil Tapia dabei so vorwitzig, so pointiert und so unterhaltsam wirkt. Für ein Soft-Rock-Comeback reicht es gewiss nicht, die erste EP von Los Retros entpuppt sich dafür als absolutes Schmuckstück für die Hundstage und darüber hinaus.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 26.07.2019 (digital 21.06.2019)
Erhältlich über: Stones Throw Records / PIAS (Rough Trade)
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