Idles – Ultra Mono

Idles
(c) Tom Ham

Wie ist das eigentlich mit dem Album nach dem Album, mit der Platte nach dem Durchbruch zwischen Bataclan und Glastonbury? Idles gelten spätestens seit „Joy As An Act Of Resistance“ als Vorreiter der nächsten großen Post-Punk-Welle. Während andere auf Gift und Galle setzen, betonen die Briten das Gemeinsame, gegenseitige Unterstützung, treten für unterdrückte und marginalisierte Gruppen sowie gegen toxische Maskulinität ein. Diese ehrliche, verwunderbare und moralisch aufrichtende Herangehensweise heimste in einer Welt, die eh am Arsch ist, nicht nur positive Rückmeldung ein. Und so wird „Ultra Mono“ deutlicher denn je in seiner Mission für ein besseres Morgen.

Der Vorwurf des Virtue Signalling, der unter anderem von prominenter Sleaford Mods-Seite kam, wird selbstverständlich mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen. „Kill Them With Kindness“ trägt dies bereits im Songtitel – ein schroffer, pointierter Stomper, der immer lauter und abstrakter wird. In „The Lover“ wird Frontmann Joe Talbot noch deutlicher und erläutert seine puren Motive. Er ist ein Lover, kein Fighter, und schreit zu später Stunde ein deutliches „eat shit“ heraus. Ausnahmsweise entstanden viele der Texte erst kurz vor oder während der Aufnahmen, um eine gewisse Spontanität zu behalten. Besagter Ausruf ist wohl genau das.

Ein weiteres Glanzstück ist „Mr. Motivator“, das Platitüden-Vorwürfe mit eben solchen kontert und per breitem Grinsen in einen packenden Post-Punk- bzw. No-Wave-Bounce zieht. Weg mit den Arschlöchern, rein mit der Charmeoffensive. Für „Ne Touche Pas Moi“ ließen sich Idles musikalisch von The Hives inspirieren und servieren einen treibenden Garage-Rocker über Consent, „Dirty Dancing“-Zitat und starker Gastbeitrag von Jehnny Beth (Savages) inklusive. An anderer Stelle tauchen Warren Ellis und Jamie Cullum auf, zudem holte man sich unter anderem einen HipHop-Produzenten ins Studio. Das herrlich abstrakte, mechanisch entfremdete und harmonisch verwirrende „Grounds“ – Inspiration suchte man unter anderem bei Kayne West und Daft Punk – bringt diesen eigenwilligen Ansatz am besten auf den Punkt. „Carcinogenic“ rockt hingegen deutlich, prägnant und schroff nach vorne weg, ähnlich wie die eröffnende Abfahrt „War“.

Jeder Song ein Volltreffer, jeder Zeile eine smarte Wortspende: „Ultra Mono“ kennt weder Netz noch doppelten Boden, sondern setzt den auf den ersten beiden Alben eingeschlagenen Weg nahtlos fort. Idles haben einiges zu sagen, nehmen kein Blatt vor den Mund und richten sich weiterhin gegenseitig auf. Unity for the community, wenn man so will, musikalisch sogar noch eine Spur breiter gestreut und wuchtiger als zuletzt. Ob dieser Loudness-War ohne Abstriche den genialen Vorgänger übertreffen kann, wird wohl der Langzeittest zeigen. Eigentlich ist „Ultra Mono“ genau jene Art von Platte, welche dieses Jahr dringend gebraucht hat. Idles bleiben groß und mehrere Schritte voraus.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 25.09.2020
Erhältlich über: Partisan Records / PIAS (Rough Trade)

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