Frank Carter & The Rattlesnakes – Sticky

Frank Carter & The Rattlesnakes
(c) Jenny Brough

Frank Carter und Dean Richardson sehnen sich danach, unbeschwert durch die Straßen streifen zu können. Das ist aktuell aus verständlichen Gründen nicht so einfach, und so schrieb das Duo ein Freiheitsalbum – es sollte tunlichst keine weitere Lockdown-Platte werden. Aus dieser Hoffnung auf bessere, gesündere Tage entsprang „Sticky“, das sich mit den Aufs und Abs, der Schönheit und dem Frust des städtischen Lebens auseinandersetzt. Und ganz nebenbei, wie schon zuletzt, sezieren Frank Carter & The Rattlesnakes Ungerechtigkeit, Rechtspopulismus sowie toxische Männlichkeit und das Patriarchat mit gewohnt präziser Klinge.

Natürlich spielen die britischen Lockdowns dennoch eine Rolle auf dieser Platte. Der eröffnende Titelsong „Sticky“ bringt dies auf den Punkt und lässt den Protagonisten jene rastlose Energie, die sich in den letzten eineinhalb Jahren ansammelte, bei einem urbanen Streifzug verbraten. Der beißende, angepisst-punkige Rocker macht das recht gut. Für „Go Get A Tattoo“ mit Lynks kommt bei Frank Carter & The Rattlesnakes sogar ein klein wenig Elektronik hinzu. Ob der Sprechgesang notwendig war, sei dahingestellt. Im zweiten gemeinsamen Track, „Bang Bang“ taucht dieser ebenfalls wieder auf, rundherum wird es auf sympathische Weise ranzig und rotzig.

Gäste spielen eine wichtige Rolle auf diesem vierten Album. Für das wunderbar abgefuckte „My Town“ konnte Idles-Charakterkopf Joe Talbot gewonnen werden. Zwischen Stoner-Gitarre und hibbeliger Punk-Nervosität kollidieren zwei giftige Welten mit berauschender Intensität. Cassyette verpasst „Off With His Head“ hingegen eine gewisse Portion Glam, eine frische Klangfarbe in diesem ansonsten kompakten Rocker. Noch eine Spur wilder ist nur der Rausschmeißer, denn für „Original Sin“ gibt sich Bobby Gillespie von Primal Scream die Ehre. Bedrohliche Finsternis, dezentes Pop-Appeal und ein Saxofon kreieren eine faszinierende Welt der Widersprüche.

Ja, dieses neue Album von Frank Carter & The Rattlesnakes ist kurz ausgefallen, rattert in unter einer halben Stunde durch. Es bleibt allerdings bei diesem einzigen Wermutstropfen, denn der neue, alte Sound ist der erwartete Volltreffer geworden. Hinter dem Mittelfinger steckt einiges an Cleverness, das hat „Sticky“ mit seinen Vorgängern gemein. Mehrere Ohrwürmer, eine ansehnliche Gästeliste und noch eine weiter Prise Genrebending setzen die musikalische Öffnung des Duos fort. Zugleich gibt man sich eine Spur härter, schroffer, spielfreudiger. Tatsächlich setzt es ein Freiheitsalbum, das ordentlich Staub aufwirbelt und im besten Sinne lange nachhallt.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 15.10.2021
Erhältlich über: International Death Cult (Rough Trade)

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