Declan McKenna – Zeros

Declan McKenna
(c) Sony Music

Als sein Debütalbum erschien, war er 18 und die „Stimme einer neuen Generation“, so die vollmundigen Ankündigungen und Vorschusslorbeeren rund um „What Do You Think About The Car?“. Tatsächlich konnte sich der junge Brite Declan McKenna mit seinen gitarrenlastigen, oftmals politisch und gesellschaftskritischen Songs schnell ein Publikum erspielen, war Teil der großen BBC-Talentliste „Sound of…“ im Jahr 2017 und legte zwischendurch mit „British Bombs“ eine unverschämt eingängige Breitseite gegen den britischen Waffenhandel nach. Davon ist nun erst einmal nichts zu hören. Auf dem angeblich so schweren zweiten Album „Zeros“ orientiert sich McKenna in vielerlei Hinsicht neu und macht damit alles richtig.

Der 21jährige findet sich plötzlich im weiten Glam-Umfeld mit deutlichen 70s-Einflüssen, mit ordentlich Bowie und Bolan wieder. „Be An Astronaut“, die herrlich verspielte und leicht übertriebene Power-Ballade mit gelegentlichen Queen-Falsett-Einwürfen und einer Art Best of der ganzen Dekade zwischen pulsierendem Piano und heulender Gitarre, zeigt recht deutlich, wohin die Reise geht. Gelegentlich schlägt die eingeschlagene Route gen Pop aus. „Rapture“ scheint zunächst pure Cheesyness mit einer gesunden Portion Mika zu kreuzen, bis die letzte Minute ins laute, übersteuerte Chaos kippt. Was hier gilt, erstreckt sich über das ganze Album: McKenna bemüht sich bevorzugt um Extreme, legt ab und an unzählige Spuren übereinander und dreht die Regler bis auf Anschlag. Dennoch bleibt stets eine gewisse Struktur erkennbar, ein genussvolles Spiel mit Laut-Leise-Dynamik.

Apropos laut: „Beautiful Faces“, die erste Single dieses Albumzyklus, reizt die Grenzen des Machbaren mit Gusto aus. Der angenehm übertriebene Tanzflächenfüller mit maschinellen Drums, schrillen Synths und schrammeliger Gitarre greift das Trommelfell direkt an und schmeichelt diesem dennoch. Zur Entspannung setzt es „Sagittarius A*“, einen der seltenen wirklich kompakten Momente. Bei aller zwischenzeitlicher Mini-Übertreibung nebst Falsett und fanfarenartiger Gitarre geht es doch um einen richtig guten Ohrwurm. Ein solcher ist ebenso „The Key To Life On Earth“, jetzt schon einer der Songs des Jahres. Hier schimmert doch noch ein wenig Gesellschaftskritik durch, während sich der herrlich blubbernde Indie-Glam-Track in neue Höhen schraubt. Gekonnte Variationen machen die zweite Hälfte zu einer Art endlosem Chorus, das Crescendo kollabiert gekonnt – ein eingängiges Feuerwerk par excellence.

Bei aller Harmonie wird „Zeros“ nie zum echten, ausnahmslosen Radioalbum. Das liegt wohl mit an der gekonnten Überladung sämtlicher Arrangements, ohne in die trügerische Falle des endlosen Übersteuerns zu tappen. Kaum ist die Schmerzgrenze erreicht, bricht eine neue Wendung, eine Wiederaufnahme griffiger Harmonien aus dem Dickicht. Eine Prise Konzeptkunst, ganz viel 70s-Charme und eine unwiderlegbare Leidenschaft für die Klangforscherei: Bei allem oberflächlichem Chaos legt Declan McKenna auf seinem zweiten Album hochklassige Perlen ohne eine einzige Schwachstelle offen. „Zeros“ wächst und wächst, ohne dabei klebrig oder gar nervig zu werden – ein beeindruckender Sprung nach vorne und zugleich ein mehr als heißer Kandidat für die Toplisten am Jahresende.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 04.09.2020
Erhältlich über: Columbia Records (Sony Music)

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