JOHN – Nocturnal Manoeuvres

Ein kryptischer, unsuchbarer Bandname legt den Fokus auf Musik und Kreativität: Das Duo JOHN heißt nicht nur aufgrund der Vornamen der beiden Musiker (John Newton und Johnny Healey) so, sondern versucht damit das eigentliche Spiel, das Momentum des gemeinsamen Erschaffens neuer Ideen in den Mittelpunkt zu rücken. Falls das nicht reicht, nennen sie sich auch JOHN (TIMESTWO), um es den Suchmaschinen einfacher zu machen. Wie dem auch sei, „Noctural Manoeuvres“ ist bereits das dritte Album der Londoner, das sich abermals durch brachiale Lautstärke, komplexe Strukturen und anspruchsvolle Lyrics auszeichnet.
Welche Ansprüche stellt der Arbeitsplatz der Zukunft an den Menschen der Gegenwart? Wie konnten Kultur und Technologie einen Rund-um-die-Uhr-Lifestyle erzwingen? Diese und ähnliche post-urbane Fäden laufen auf der neuen Platte der Briten zusammen. Und das gar hervorragend, denn wenn nach dem gemächlichen Aufgalopp „Return To Capital“ urplötzlich „Šibensko Powerhouse“ explodiert, stimmt alles. Das Garage-Riff erinnert ein wenig an Johnossi, doch schnell setzt hibbeliges Chaos zwischen Noise und Post Punk ein, von wütenden, geifernden Vocals vorangetrieben. Dass Idles-Bassist Adam Devonshire hierzu ähnlich furiose Backings liefert, passt ins Bild. Schnell hat sich die atemlose Mini-Monstrosität eingebrannt.
In ihrer schnellen, atemlosen Art erinnern JOHN ein wenig an Metz. Das grantige „Stadium Of No“ packt gefühlt ein ganzes Bündel Ellenbogen aus und steigert sich in einen tanzbaren Rausch, der prima mit wütender Noise-Energie kollidert. „Haneke’d“ spielt sich in ganz ähnlichen Gefilden ab. Zwischen entfremdeten Vocals und infernaler Abfahrt schlagen alle Sinne gleichzeitig Alarm. In der hoffnungslosen Überlänge taumelt „Non-Essential Hymn“ der ewigen Warteschleife des Seins entgegen, während „Power Out For The Kingdom“ über weite Strecken das Tempo reduziert und post-punkige Neubauten anbietet. Das unwahrscheinlich hibbelige, von steten emotionalen Wechselspielen begleitete „Jargoncutter“ brennt sich ebenso ein.
Fans von Lice, Karies und eben Idles sollten an diesem Drittling helle Freude finden. Die unfassbare Wucht von „Nocturnal Manouevres“ bleibt hängen. JOHN machen gewiss keine Musik für Schöngeister, und schreiben doch wahrhaft besondere Songs, die sich kaskadenartig entladen, erst einmal abstoßen, später mit versteckten Hooks fesseln und schließlich durch rasiermesserscharfe Beobachtungen auftrumpfen. Der noisige, finstere und zugleich treibende Sound setzt dem Geschehen die Krone auf. Das soll wirklich ein Duo sein? Ob TIMESTWO oder nicht, JOHN legen ihre bislang beste Platte vor.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 08.10.2021
Erhältlich über: Brace Yourself Records / Pets Care Records (Rough Trade)
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