The Winston Brothers – Drift
Die Tanzflächen füllen sich, die heiße Sohle am Parkett fühlt sich so zeitlos wie nie an: The Winston Brothers legen nach einer starken ersten 7″ nun ein komplettes Album vor. Hinter dem Namen stecken der Hamburger Produzent und Multi-Instrumentalist Sebastian Nagel sowie Schlagzeuger und Percussionist Lucas Kochbeck, die sich unter anderem von der Bacao Rhythm & Steel Band kennen. Der gemeinsame Sound bewegt sich in retrolastigen und doch von Raum und Zeit losgelösten Funk- und Soul-Gefilden, rein instrumental, tanzbar und verträumt. „Drift“ schwebt 40 Minuten lang durch die Lande.
Das „Winston Theme“ eröffnet die Platte lässig und charmant. In knapp drei Minuten bringen The Winston Brothers ihren Sound auf den Punkt. Kochbeck gibt den Takt im wahrsten Sinne des Wortes vor, fokussiert und zugleich voller Spielfreude. Basslauf und Blechbläser ziehen hingegen langsam, aber sicher in Richtung Dancefloor, wobei es hier noch eher in Richtung Aufgalopp geht. Die kesse Sohle bemüht im direkten Anschluss „Boiling Pot“, ein verschmitztes wie leidenschaftliches Stück Musik, ausgelassen und doch reduziert. Der Fokus auf das Wesentliche, begleitet von bester Laune, funktioniert prima.
Eben jene Reduktion ohne Über- oder gar Untertreibung zählt zu den Spezialitäten von The Winston Brothers. Sie überladen ihre Arrangements nicht, sondern finden stets den goldenen Mittelweg – siehe und höre „Free Ride“, dessen Retro-Charme für ein breites Grinsen sorgt. Federnde wie treibende Drums, lebhafte Bläser, geschickt ausbalanciertes Verhältnis von Gitarre und Bass, funky und doch eigensinnig – das macht Laune. In „Brother’s Strut“ kommt die leicht verträumte Orgel mit 60s- und 70s Einschlag dazu, dem Fahrstuhl entnommen und zum Wohlfühlspender umfunktioniert. Wieder ein paar Türen weiter lässt der Titelsong dezente Reggae-Einflüsse Einzug halten, was ebenso prima gelingt.
„Drift“ macht einfach Spaß, von vorne bis hinten, eine unfassbar sympathische Platte, die keine großen Worte verlieren muss, um durch die Decke zu gehen. Vertraute Zutaten – organisch eingespielt und neu zusammengesetzt – ergeben eine mitreißende, gelungene Melange. The Winston Brothers versehen ihre Musik mit – da ist dieses Wörtchen schon wieder – Charme, unverfälscht und unterhaltsam. Wer hier ruhig sitzen bleibt und Däumchen dreht, hat definitiv etwas falsch gemacht. Nicht nur auf der Tanzfläche darf dieses Licht im feucht-nebeligen Herbst auf keinen Fall fehlen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 18.11.2022
Erhältlich über: Colemine Records (Cargo Records)
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