Ian Fisher – Burnt Tongue

Ian Fisher
(c) David Johnson

Trotz aller Umstände vermied es Ian Fisher tunlichst, ein Album über Pandemie und Lockdowns aufzunehmen – bei Songs, die zwischen 2019 und 2022 entstanden, freilich ein Kunststück. Stattdessen bemüht sich der mittlerweile in Wien sesshafte, eingebürgte Europäer um Abhandlungen über den Wandel im Leben, um kleine Experimente, um das Bewahren von Hoffnung in Situationen, wo das alles andere als einfach ist. „Burnt Tongue“ führt den ursprünglich aus Missouri stammenden Songwriter in neue musikalische Gefilde und bleibt dabei so charmant wie immer.

Das wunderbar launige und doch reduzierte „I’ll Be There“ bringt den alten, neuen Fisher auf den Punkt: Während die Gitarre recht locker-flockig angeschlagen wird, sorgt die feinsinnige Melodik rundherum für einen nahezu sommerlichen, fröhlichen Touch, der nach Radioeinsatz, nach guter Laune, nach Hoffnung ruft. Im Gegensatz zu diesem Lo-Fi-Exkurs wählt „Achilles‘ Heel“ klare, kräftige Klänge als ähnlich minimalistische Basis für getragenen Feinsinn, der sich betont gemächlich anschleicht und gerade durch das lässige rhythmische Konzept unterhält – fast schon verträumt und gerade in den Schlussmomenten herrlich eindringlich.

Was Ian Fisher weiterhin fantastisch beherrscht, sind diese kleinen introspektiven Momente, die sich Intimität und Intensität widmen – siehe und höre der bewegende Abschluss „Quiet Down Boy In Me“, der fast schon etwas Spirituelles in sich trägt, oder das mit schleppenden Americana-Untertönen befeuerte „Driftwood & Tires“. Sollte das zu brav sein, holt das eröffnende Duo mit etwas lauteren und doch behutsamen Tönen ab. „I’m Burning“ macht mehr und mehr Platz für großartigen Gesang, während der Refrain ein paar Spuren gekonnt übereinander platziert, bevor „How Far“ Sanftmut zu großen Pop-Melodien trägt.

Letztlich gehen diese gut 40 Minuten doch viel zu schnell vorbei, wohl weil sie sich so bequem, so komfortabel, so heimelig anfühlen. Das ist und bleibt eine der großen Stärken Ian Fishers, der seine Musik überaus einladend und inklusiv gestaltet. Einige zusätzliche Experimente begleiten „Burnt Tongue“, spannen den Bogen von radiofreundlichen Pop-Momenten über Singer/Songwriter-Intelligenz bis hin zu etwas Synthetik und Lo-Fi. Das eine oder andere Skit spinnt zudem einen roten Faden und rundet den sympathischen Einduck eines kleinen Gesamtkunstwerks ab. Einmal mehr zeigt sich Fisher in bestechender Form und bleibt eine Bank, Wandel hin oder her.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 03.02.2023
Erhältlich über: Backseat (Membran)

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