Perfume Genius – Glory

Ein Außenseiter, der His People gefunden hat. Ein Songwriter, der wie ein solcher klingen wollte. Mike Hadreas interpretiert Perfume Genius immer so, wie es gerade passt und Sinn macht, gerne mal unvorhergesehen und komplex, doch stets von greifbarer Schönheit durchzogen. Davon gibt es auf dem nunmehr siebten Studioalbum mehr denn je, und Zeit ist es geworden. „Glory“ setzt sich offensiv mit eigenen Ängsten und der Paranoia des Zeitgeists auseinander, fühlt sich aber zugleich in seinem gewachsenen musikalischen Umfeld, mit einer starken Band und wichtigen Partnerschaften, wohler denn je.
„Full On“, der mittendrin platzierte Fünfminüter, bringt dieses neue Selbstbewusstsein auf den Punkt und bleibt dabei doch fragil. Betont einseitige Zuneigung ringt um den Platz in der Welt, holt sich Baroque- und Chamber-Pop-Instrumentierung hinzu, darf wachsen und gedeihen, entflieht dem einst fehlenden Selbstbewusstsein. Der reduzierte Titelsong zum Abschluss, einem folkigen Fragment gleich, stellt butterweiche Harmonien rund um einen Klangentwurf, quasi die logische Coda. „Dion“ könnte den Übergang zwischen diesen beiden Welten markieren und überrascht mittendrin mit donnernden Drums, fast wie musikalischer Kraftausdruck.
Dion ist übrigens nur eine der vielen Figuren, die Hadreas in seinen Songs skizziert und vorsichtig umreißt. In „Capezio“ ist es eine schwerfällige Freundschaft, die immer wieder einzuschlafen droht, für die es sich dennoch zu kämpfen lohnt. Wie sich die glockenhellen Vocals aus dem anfänglichen Dickicht der Konfusion herausarbeiten und dem ominös gehaltenen Arrangement den Funken Hoffnung verleihen, packt ebenso zu wie das grandiose „No Front Teeth“. Gemeinsam mit Aldous Harding entsteht ein wechselhafter Song – zart und fragil auf der einen, laut und fast dissonant auf der anderen Seite. Der kraftvolle Auftakt „It’s A Mirror“ sucht wiederum einen anderen Blickwinkel auf Songwriter-Kunst und hebt urplötzlich in bester Snow Patrol-Manier ab.
So viel gab es bei Perfume Genius schon lange nicht mehr zu entdecken, gerade in vergleichsweise geerdeten Tönen, und das ist ohne Frage als großes Kompliment zu verstehen. So natürlich hat man Mike Hadreas lange, vielleicht sogar noch nie gehört, und doch ist „Glory“ alles andere als ein Stilbruch geworden. Bloß werden die Songs in halbwegs konventionelle, logische Bahnen gelenkt und atmen Songwriter-Geist der alten Schule. Belebender, fragiler bis selbstbewusster Chamber-Pop kreist stets drüber, entfremdet und entführt in neue Welten. Begleitet von einem fantastischen Cast – in der Band, an den Reglern, im Leben, aber auch in den Lyrics – entsteht eine bezaubernde kleine Perle, die Hadreas‘ Können einmal mehr souverän unterstreicht.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 28.03.2025
Erhältlich über: Matador Records / Beggars Group (Indigo)
Website: perfumegenius.org
Facebook: www.facebook.com/PerfumeGenius