The Vices – Before It Might Be Gone

The Vices
(c) Milenco Dol

Der Blick nach innen ist ein beliebtes Stilmittel – für manche unverzichtbar, während ihn andere erst im Laufe der Jahre, der Karriere entdecken. The Vices gehören mit Sicherheit zu zweiterer Kategorie. Das Quartett aus dem niederländischen Groningen sang auf den beiden bisherigen Platten von sozialen Ereignissen – mal näher, mal weiter vom eigenen Mikrokosmos entfernt – und verändert nun tatsächlich den Fokus. „Before It Might Be Gone“ verstehen sie als rohe, ehrliche Selbstreflexion einer Person, die sich erstmalig selbst begegnet, und dies zum Anlass einer Reise voller Veränderungen nimmt.

Was sich jedoch nicht geändert hat, ist die Dichte an Hits und Rohdiamanten, die sich in diesen gut 36 Minuten gesammelt hat. Einer von ihnen ist „Shaking Shoulder“, zunächst gemächlich und lieblich, bevor der Refrain geradezu aus den Startblöcken explodiert und sich zur schillernden, fast glammigen Hymne aufschwingt, die mit einer feinen Prise Pop flirtet und ebenso im Ohr bleibt wie „Gold“. Abermals geht es unscheinbar und doch bestimmt los, bevor sich die Gitarren in den Vordergrund drängen und einen abgehangenen, zugleich richtig schön fieberhaften Rocker aus dem Ärmel schütteln, der schon mal an die Glanzzeiten von Mando Diao erinnert.

Währenddessen sind The Vices schon wieder ein paar Schritte weiter. Das an die ersten Alben der Arctic Monkeys erinnernde „Wrong Ones“ trägt doch deutlich die Handschrift der Niederländer und verschiebt vertraute Klänge zusehend in Richtung herrliche Eigentümlichkeit. Davon hat auch der eröffnende Titeltrack mehr als genug im Gepäck, tänzelt mit losgelöster Leidenschaft durch die Szenerie, verwegen und doch so bestimmt. Flirrende Klanglandschaften geben sich zeitlos, so wie das auch „Only For A While“ gelingt, ein weiterer vorwitziger Exkurs mit ordenlich Herz und Energie. Der semi-balladeske Abschluss „Still They Might Not Like It“ wird mit jeder Sekunde größer und geht im Finale durch die emotionale Decke.

Hier stimmt so ziemlich alles: The Vices bemühen zarte Weiterentwicklung, ohne dabei über die sprichwörtlichen Stränge zu schlagen, zeigen sich durch neue thematische Perspektiven und Ansätzen frischer und erholter, haben zugleich das Songwriting geschickt verfeinert. Herausgekommen ist ein starkes drittes Album von hohem Unterhaltungswert, das fieberhafte Rocker neben gefühlvolle, gerne mal experimentell angehauchte Indie- und Alternative-Meditationen stellt. „Before It Might Be Gone“ konsolidiert die Niederländer auf hohem Niveau und macht den großen Durchbruch letztlich nur zu einer Frage der Zeit.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 07.02.2025
Erhältlich über: V2 Records (Bertus)

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