Nell Smith – Anxious

Posthume Alben sind eine knifflige Angelegenheit, gerade auf emotionaler sowie auf kreativer Ebene. Wird die Musik dem künsterlischen Erbe und den Vorstellungen zu Lebzeiten gerecht? Wie seriös, wie ehrlich kann eine Bewertung erfolgen? Bei einer 17jährigen ist dies eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Nell Smith verstarb im Vorjahr als Teenager, stand erst am Anfang ihrer musikalischen Karriere. Zuvor hatte sie gemeinsam mit den Flaming Lips ein hevorragendes Nick Cave-Coveralbum aufgenommen, schrieb später gemeinsam mit Shred Kelly und hatte im Alter von 15 Jahren eine einzige Studiosession. Nun sorgsam fertiggestellt, zeigt „Anxious“ eine junge Künstlerin, die noch so viel vorhatte.
Speziell der eröffnende Titelsong zeugt von besonderer, schwer in Worte zu fassender Magie. Die offensive Auseinandersetzung mit teils skurrilen Teenagerängsten bekommt ein fluffiges, treibendes Arrangement zur Seite gestellt. Luftiger, verspielter Pop mit Jangle-Charme und psychedelischer Note macht Laune, zeigt zugleich den Einfluss von The Flaming Lips auf den eigenen Sound, während der Gesang regelrecht über dem Arrangement tänzelt. Spannend ist der teils gewaltige Unterschied zwischen Text und Musik, siehe und höre „Bubba“. Während die Melodie beherzt und fröhlich serviert wird, besingt Smith den Krebstod ihres Freunds und Mentors Troy Cook.
„Boy In A Bubble“ ist hingegen Wayne Coyne von The Flaming Lips gewidmet. Dieses Dankeschön in Musikform erinnert ebenfalls an dessen Band, voller bizarrer Melodiefolgen, unendlicher Spuren und gerne mal schwer greifbaren, verqueren Entwicklungen, die dieses Mini-Epos von beinahe sieben Minuten wieder und wieder in seltsame, doch stets lohnenswerte Gefilde treiben. Hingegen spielt „I Know Nothing“ erst einmal mit balladesken Klängen, bevor ein drückender Beat für Katharsis sorgt. Dem Unwissen wird die verträumte Wirklichkeit von „The Worst Best Drug“ gegenübergestellt, das so reduziert und intim wie groß und allumfassend auftritt.
Viel zu schnell enden diese 40 Minuten, die eigentlich der Auftakt für Großes hätten sein sollen. Das Potenzial dafür offenbarte Nell Smith bereits in jungen Jahren. Ihr Songwriting täuscht über die Jugend hinweg und erreicht ein Level, das viele erst mit dem einen oder anderen Jahrzehnt mehr an Lebenserfahrung erreichen. Zudem macht die musikalische Gestaltung einfach nur Laune, selbst im betonten Widerspruch zu den Lyrics, immer bunt und vielschichtig, voller vorwitziger Wendungen und Auswüchse. „Anxious“ hätte der Auftakt für eine große Karriere sein sollen, ist jedoch ein viel zu früher, verdammt unfairer Abschied geworden. Möge ihr die Erde leicht sein.
Ohne Wertung
Erhältlich ab: 11.04.2025
Erhältlich über: Bella Union (Rough Trade)
Website: www.nellsmithmusic.com
Facebook: www.facebook.com/NellSmithMusic