Interview mit Cradle Of Filth-Gitarrist Paul Allender

Nach „Nymphetamine“ und „Thornography“ war Umdenken gefragt. Cradle Of Filth hatten sich dem Mainstream voll und ganz hingegeben, den Biss früherer Tage vermissen lassen. All das ist nun anders mit dem neuen Album „Godspeed On The Devil’s Thunder“, das die Rückkehr zu mehr Härte und Aggression markiert, gleichzeitig auch nicht auf neuere Erkenntnisse verzichten will. Im Interview verrät uns Gitarrist und Mastermind Paul Allender, warum die Besinnung auf alte Tugenden so wichtig war.

"Godspeed On The Devil's Thunder" klingt wütender, schneller, energischer – eine beabsichtigte Entwicklung?

Zu einem gewissen Grad wollten wir wieder mehr Gas geben, aggressiver und vor allem spannender klingen, Brutalität zurück in die Musik bringen. Für uns sollte die Musik wieder interessanter, herausfordernder werden. Natürlich war da auch viel Zufall dabei, aber wir haben uns dessen nicht erwehrt.

Besonders das Drumming hat sich dank Martin Skaroupka entscheidend verändert. War sein rasantes Spiel mit ein Grund für die wiederentdeckte Geschwindigkeit?

Absolut, er ist ein riesiger Filth-Fan, der vor allem die alten Songs live spielen will. Seine Geschwindigkeit hat sich auf das neue Material ausgewirkt. Er spielt Blastbeats und Double-Kicks ohne Probleme. Das ist faszinierend. Für Martin ist die neue Platte sein Cradle-Lieblingsalbum. Nicht nur, weil er darauf spielt, sondern vor allem wegen dem hohen Tempo. Solange er schnell spielen kann, ist ihm alles andere egal.

Mit dieser riesigen Band, werden alle zum Songwriting eingeladen oder gibt es jemanden, der die Hauptlast schultert?

Im Normalfall kümmere ich mich darüber. Mir hat dieses Mal Keyboarder Mark Newby-Robson geholfen, der auch professioneller Symphoniker ist und vor Jahren in Cradle Of Filth war. Wir haben drei Monate lang gemeinsam geschrieben und komponiert. Mir sind immer wieder einzelne Violinspuren eingefallen, die er in orchestrale Elemente umgewandelt hat. So ist nach kurzer Zeit „Godspeed On The Devil’s Thunder“ entstanden. Im Studio läuft vor allem noch Dani herum, der sich um die Vocals kümmert. Martin spielt die Drums ein, Dave den Bass. Um den Rest kümmere ich mich, spiele die Gitarren ein, bearbeite die Arrangements gemeinsam mit Mark. Mark hat einen großartigen Weitblick außerhalb meiner musikalischen Parameter, wovon dieses Album auch lebt.

Wer hatte die Idee ein Konzeptalbum über Gilles De Rais einzuspielen?

Das war Dani, es ist sein Job, denn ich kümmere mich um die Musik. Was er macht, ist unglaublich, deswegen überlasse ich ihm diese Angelegenheit.

Kannst du dennoch erläutern, wie das Leben und Wirken Gilles De Rais' zur Musik passt?

Die Musik war zuerst da. Dani hat sich die Songs angehört und ist auf das Konzept um Gilles De Rais gestoßen. Er hat mir dieses vorgestellt und entsprechende Bücher in die Hand gedrückt, um ein wenig über diesen Typen zu erfahren. Für mich hat sein Leben perfekt in das Cradle Of Filth-Universum gepasst. Gilles De Rais ist ein ziemlich schäbiger Typ, um es höflich auszudrücken (lacht). Allerdings macht gerade das sein Leben interessant. Er ist stinkreich, war in seiner Zeit einer der mächtigsten Männer Europas und verdammt durchgeknallt. Irgendwann ist er in die Alchemie und in andere Wissenschaften abgedriftet. Für uns sollten Musik und Lyrics möglichst gut zusammenpassen. Gerade das macht das Album spannend, diese eigenwillige Geschichte, die von romantischen Liebesgeschichten abweicht und dem einen oder anderen die Augen öffnen wird. Wir erklären nicht bis ins Detail, wie De Rais Kinder tötet, wir erzählen eine Geschichte und passen sein Leben damit Cradle Of Filth an.

Angesichts des neuen Albums werden Vergleiche zu "Midian" und "Dusk... And Her Embrace" gezogen. Kannst du das nachvollziehen und war es wichtig einen Gegenpol zu "Thornography" zu setzen?

Ich persönlich wollte etwas ganz Anderes als „Thornography“ machen. Wir hätten den dort beschrittenen Weg nicht mehr weitergehen können. Hätten wir noch ein Album in dieser Gangart aufgenommen, wäre uns das nicht gerecht geworden. Natürlich will jeder Vergleiche ziehen, um sich irgendwo festmachen zu können. Ich habe auch schon die vielfältigsten Vergleiche gehört, was vollkommen in Ordnung geht. Wir haben uns nicht selbst kopiert, wir haben dort weitergemacht, wo wir hinwollten. Auch das Feedback ist verdammt gut, ganz im Gegenteil zum Vorgänger. Nach 14, 15 Jahren soll uns dieses Album wieder dorthin bringen, wo wir hinwollen. Wir waren nie weg, wir sind nur langweilig geworden. Deswegen haben wir mehr Adrenalin in die Platte gepumpt, was der Vorgänger nicht hatte.

Andy Sneap ist für dieses Album an das Mischpult zurückgekehrt. Warum habt ihr auf ihn zurückgegriffen?

Auf „Thornography“ hat er nur den Mix gemacht, dieses Mal war er Producer. Er hat schon damals gute Ideen für die Aufnahmen, für die Vocals und für Gitarren und Sounds gehabt. Außerdem ist Andy einer der besten Metal-Producer überhaupt. Für „Godspeed On The Devil’s Thunder“ ist er so etwas wie ein weiteres Bandmitglied geworden. Immer, wenn wir mit einem Song fertig waren, hat er einen seiner Producer-Freunde angerufen und den Track übers Handy vorgespielt (lacht). Ich kenne keinen Produzenten, der sich so stark mit einem „seiner“ Alben identifiziert. Außerdem sind seine Ideen für den Gitarren- und Drum-Sound fantastisch.

In der Vergangenheit haben Gäste wie Ville Valo und Liv Kristine einzelne Songs veredelt. Dieses Mal ist nur auf "The Death Of Love" eine neue Stimme wahrzunehmen. Wer ist diese Frau?

Eigentlich ist sie ein Nobody (lacht). Wir wollten eine bestimmte Stimmfarbe für diesen Song und sie ist ein Mitglied des Chors, der auf dem Album singt. Aus diesem Chor haben wir mehrere Damen vorsingen lassen und ihre Stimme hat genau zu „The Death Of Love“ gepasst. Sarah singt die Harmonien und sorgt für die Spoken-Word-Parts, doch ansonsten gibt es keine bekannten Leute.

Cradle Of Filth ist berühmt berüchtigt mit Verzögerung Special Editions ihrer Alben nachzureichen. Gibt es für "Godspeed On The Devil's Thunder" bereits entsprechende Pläne?

Dieses Mal wird die Special Edition gleichzeitig mit der Standard-Version erscheinen. Wir wollen niemanden abzocken, es wird später keine weitere Ausgabe geben. Es wird eine Extra-CD mit Livesongs und Demo-Versionen geben, dazu ein paar Leftovers und ein Celtic-Frost-Cover, dazu ein Remix – eben viele kleine Gags. Die Special Edition kommt in einem speziellen Ledereinband mit so einem Metal-Dings. EMP vertreibt eine eigene Box mit T-Shirt und anderem Zeug. Über Amazon gibt es auch noch eine weitere Variante.

Black Metal ist immer präsent, egal wie stark oder schwach. Bisher schien diese Stilrichtung von Core-Einflüssen gefeit zu sein, doch Bands wie Bleeding Through, Nachtmystium und Abigail Williams versuchen nun den Crossover zu Hardcore und Metalcore. Was hältst du davon?

Für mich funktioniert das einfach nicht. Da werden Stilrichtungen zusammengemischt, die einfach nicht zueinander passen. Es ist, als ob mehr Platten verkaufen will. Black Metal ist populär, aber wenn ich ein wenig Core hinzunehme, findet es Absatz. Das ist Blödsinn. Da will jemand einfach verschiedene Märkte bedienen. Ich finde es besser bei einer bestimmten Szene zu bleiben und in dieser hart zu arbeiten, um sich nach oben zu kämpfen. Am Ende des Tages wird sich das lohnen.

Paul, danke für deine Zeit. Wir sehen uns im Winter auf Tour.

Auf jeden Fall, danke für dein Interesse.