Tristesse – Schönste Trauer

Eine fantastische EP, ein großartiges Album … und jetzt? Binnen kürzester Zeit konnten sich Tristesse zur neuen Top-Adresse für verträumten Rock mit Gaze und Alternative etablieren. Auf Lorbeeren sollen sich aber andere ausruhen, neues Material steht bereits in den Startlöchern. Nach diversen Singles landet mit „Schönste Trauer“ – je nach Sicht der Dinge – ein sehr kurzes Album oder eine etwas ausführlichere EP, erstmals als Quartett. In gerade einmal 19 Minuten liefern die Berliner ein Sammelsurium sympathischer und kurioser Beobachtungen aus ihrem Alltag, betonen Gegensätze und plädieren für Akzeptanz und das Gemeinsame.
Was macht eigentlich blaues Licht? Im eröffnenden „Blauer Schein“ finden Tristesse schnell eine Art innere Mitte und lassen sich tiefenentspannt treiben. Dichte Texturen, butterweiche Vocals und geschmackvoller Synthesizer-Ansatz tummeln sich in Plüschwelten, denen „Diamant“ im direkten Anschluss ordentlich Feuer unterm Hintern macht – ein flottes, energisches Stück Musik mit Drive in rauen Mengen und Beast-Mode-Rhythmusabteilung. Die schickt „West Hollywood“ erst einmal in eine kleine Pause und lebt vor allem von seinen Zäsuren. In verwaschenen Zwischenwelten suchen und finden Tristesse eine Form von Erlösung, gipfelnd im Fragment „Kauern und wein'“.
Bewegendes Traumwandeln trägt „Der Tanzende (ich wünsche mir)“ bereits im Titel und versucht über nicht näher benannten Dingen zu stehen. Fester Boden wird überbewertet, wenngleich danach „Gesegnet sind all die ohne Idole“ erstaunlich geerdet rüberkommt und mit angepunktem Tatendrang durchs Gebälk fährt – ein willkommener Kraftakt. „Wo kein Anfang, da kein Ende“ könnte kaum anders klingen und widmet sich dem Absolutismus des Minimalismus – wohlwissend aufs Wesentliche reduziert und mehr als gekonnt rund um ein Fast-Piano-Motiv schwebend. Das Licht macht schließlich „Interpalast“ aus, wird immer lauter und energischer, bis zu einem urplötzlichen Post-Black-Metal-Finale. Kann man so machen.
Soll man auch, denn gerade diese kleinen, unerwarteten Details machen den neuen Tristesse-Release so besonders. Während der initiale Wow-Moment mittlerweile abflauen durfte, liefert das Quartett einfach weiterhin ab, versucht sehr viel mit seinen kleinen, aber feinen Vignetten, haut gerne mal auf die Pauke und fühlt sich doch immer wieder in der vermeintlichen Idylle wohl. Dass sich hinter dieser eben doch wieder und wieder unschöne Szenen abspielen können, passt gewissermaßen ins Bild. „Schönste Trauer“ lebt und liebt die Gegensätze des Seins und kostet den Wahnsinn des Alltags in jeder Note aus – ein weiteres angenehm ungewöhnliches Festmahl.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 05.09.2025
Erhältlich über: Eigenvertrieb
Facebook: www.facebook.com/tristessemusik
