Interview mit Deathstars-Sänger Andreas „Whiplasher Bernadotte“ Bergh
Während Kiss alt und fett werden, treten die Deathstars ihr Erbe auf Raten an. Die Schweden um den ehemaligen Dissection Drummer Ole Öhman konnte mit den bisherigen Alben „Synthetic Generation“ und „Termination Bliss“ eine ordentliche Gefolgschaft für ihren glammigen Industrial Metal begeistern. Hinter dem Make-Up und all der Ironie stehen aber fünf erste Menschen, die auf „Night Electric Night“ neben musikalischer Weiterentwicklung über die Schattenseiten des Lebens philosophieren. Frontmann Andreas „Whiplasher Bernadotte“ Bergh erklärt, dass nicht immer alles eitel Sonnenschein ist.
Zwischen "Termination Bliss" und "Night Electric Night" liegen ganze drei Jahre. Wo wart ihr die ganze Zeit?
Es ist gar nicht so kompliziert, weil wir ständig auf Tour nehmen. Das verschlingt Zeit. Wir hatten einige persönliche Probleme, was sich natürlich auf das Songwriting niederschlägt. Außerdem leben wir alle in anderen Ländern und Städten. Nightmare war in New York, ich in London, die anderen Jungs in Schweden. Wir wollten uns sicherlich keine drei Jahre Zeit lassen, aber es ist nun mal passiert.
Auf diesem Album arbeitet ihr zum ersten Mal mit eurem neuen Gitarristen Cat Casino. Was hat er zum Songwriting beigetragen und wie war es mit ihm zu arbeiten?
Nightmare und ich schreiben zwar den Großteil des Materials, aber er hat einige Riffs eingebracht. Außerdem halte ich Cat für den seltsamsten Charakter auf dieser Welt, er ist der Sidekick der Band. Er hat vor allem sozialen Eindruck hinterlassen. Cat ist das Mädchen dieser Band. Er kriegt keinen Orgasmus ohne ein Bild von sich selbst, weil er sich für den schönsten Menschen auf der Erde hält. Außerdem braucht er immer zwei Stunden im Bus, bis er mit dem Make-Up fertig ist (lacht). Cat ist das, was Vinnie Vincent für Kiss war. In zwei Jahren lässt er sich umoperieren und heißt Erica. Dann brauchen wir keine Groupies mehr (lacht). Wir sollten für ihn „You’re So Vain“ oder „Vogue“ covern. Ich muss aber zugeben, dass er verdammt gut aussehend ist. Er arbeitet als Model und ist sogar im neuen P!nk-Video zu sehen. Außerdem hat er in einem bekannten Film mitgespielt.
In einem früheren Interview hast du "Night Electric Night" als das Album bezeichnet, das am meisten nach Deathstars klingt. Kannst du etwas näher darauf eingehen?
Wir kommen aus einer recht extremen Metalszene, was für das erste Album sehr wichtig war. Mittlerweile wissen wir aber genau, was wir machen wollen und wie wir klingen wollen. Wir haben Pop-, Rock- und Metal-Einflüsse auf dieser Platte. Deathstars sollen immer freier werden ohne Scheuklappen, wodurch wir uns selbst auch befreiter fühlen. So können wir genau unseren Sound spielen.
Das Album sollte ursprünglich "Deathglam" heißen. Warum habt ihr euch letztendlich gegen diesen Titel entschieden?
„Deathglam“ nennen wir unseren Sound. Viele Bands versuchen so zu klingen, aber „Deathglam“ ist unsere Freundin, die legt kein anderer flach. „Night Electric Night“ hat besser gepasst, weil es wie der dazugehörige Song den Vibe des Albums beschreibt. Es geht um die nächtliche Stimmung mit osteuropäischer Note.
Wie manifestiert sich dieses Gefühl in den Texten auf "Night Electric Night"?
Es geht um die Stadt in der Nacht, um Tod, Leben und Depression. Bei uns geht es nie um Religion oder so einen Kram, es geht um uns. Wir reflektieren auf unsere eigenen Leben. Es soll depressiv sein, aber auf eine gute, skandinavische Art und Weise. Das Ergebnis ist sehr komplex. Im Vordergrund steht die Stimmung des jeweiligen Songs, nicht irgendein Image oder irgendeine Ideologie, die wir dem Material aufdrücken wollen.
In "Via The End" singst du einen Text von Nightmare Industries über den Selbstmord seines Bruders. Wie hast du dieses düstere Kapitel seines Lebens adaptiert?
Die Lyrics sind von mir, ich schreibe alle Texte. Dieser Song ist sehr anders als die übrigen Tracks auf dem Album. Nightmare hat sich nach dem Selbstmord seines Bruders – wir kennen uns alle schon seit frühster Kindheit – hingesetzt und die Musik geschrieben. Er meinte nachher, er könne sich gar nicht mehr daran erinnern, weil er so durch den Wind war. Ich wusste nicht, dass er den Song in dieser Situation geschrieben hatte und habe Lyrics über den Selbstmord geschrieben – ein unglaublicher Fall von Gedankenlesen. Als ich Nightmare das fertige Ding vorgespielt habe, hat er auf eine Veröffentlichung bestanden. „Via The End“ ist ehrlich und mutig, zeigt uns wie wir sind. Ich weiß aber nicht, wie wir live mit diesem Song umgehen werden. Wenn wir ihn überhaupt spielen, dann maximal bei speziellen Anlässen. Der Song ist anders und vielleicht der für uns wichtigste.
Der Opener "Chertograd" klingt nach einer russischen Stadt. Woher kommt dieser Titel?
Chertograd ist der alte Name von St. Petersburg im Zeitalter von Rasputin. In diesem Song bin ich alleine in einem russischen Hotelzimmer vor dem Absturz. Russland inspiriert uns, nicht nur wegen der Uniform. Dieses Mal schlägt es sich auch in den Lyrics nieder. Viele Erinnerungen an Russland-Aufenthalte wurden verarbeitet und assoziiert.
Man merkt, dass dir sehr viel an den Texten und an Inhalten nicht. Kennt man nur die Videos, glaubt man an eine Band, die mit Make-Up ein spezielles Image kultivieren will. Wie würdest du dem entgegnen?
Es geht auf keinen Fall um das Image, ohne das Zeug hätten wir es vielleicht sogar leichter haben. Für uns geht es um Leidenschaft. Mit sieben Jahren hatte ich alles von Kiss. Deathstars sollten immer mehr als nur die Songs sein, sondern eine eigene Welt erschaffen und unterhalten. Inhaltlich kultivieren wir kein Image, das machen sich andere Bands ohne eine so ausgeprägte visuelle Ebene stärker zu Eigen. Uns wird es auch nie ohne Make-Up geben, denn das macht uns zu Mini-Kiss (lacht). Wir lieben diese Sleaze-80s-Glam-Bands, haben aber auch einen Black- / Death-Metal-Hintergrund, kultivieren die Dunkelheit und die Negativität. Kombiniert man das, bekommt man Deathstars. Klar ist das widersprüchlich, aber davon leben wir.
Warum habt ihr "Death Dies Hard" als erste Single gewählt?
Solche Entscheidungen machen wir uns nicht leicht. Im Studio arbeiten wir an jedem Song mit voller Energie. Jeder Track hat seine Stärke, aber gerade bei „Death Dies Hard“ war sofort klar, dass es ein Single-Kandidat werden würde. Es halt all das, was Deathstars ausmacht und reflektiert den Inhalt des Albums. Dennoch fragt man sich immer, ob man wirklich den besten Song veröffentlicht hat. Ich hoffe, die Leute wissen die Auskopplung zu schätzen. Es ist ein großer, weicher Dildo für die Ladies und eine blonde Vagina für die Jungs (lacht).
Wie ist es zur Version des Songs "Night Electric Night" mit Adrian Erlandsson gekommen?
Adrian hat uns auf Tour mit KoRn begleitet, wo er Bone W. Machine vertreten hat. Im Tourbus haben wir „Night Electric Night“ aufgenommen und er wollte unbedingt dabei sein. Die Version unterscheidet sich also nur durch die Drums, die nun mehr nach Death / Black Metal klingen.
In einem früheren Interview hieß es, dass ihr 13 Songs für das Album aufnehmen würdet. Elf haben es nun auf "Night Electric Night" geschafft. Was ist mit dem Rest passiert?
Es waren sogar 16, aber wir sind dieses Mal sehr selektiv vorgegangen. Mit einigen Songs waren wir nicht komplett zufrieden, also wäre es blöd diese zu veröffentlichen. Wir wollen effektiv bleiben. Vielleicht erscheinen die irgendwann in der Zukunft, wenn wir damit näher gearbeitet haben.
Auch wenn es schon einige Zeit her ist: Wie fühlt sich das an, wenn einem Metallica den Songtitel klaut?
(lacht) Das ist natürlich Blödsinn, uns war langweilig. Wir drehen gerne so schräge Dinge. Außerdem wollte ich sehen, wie uns die Leute hassen, wenn wir angeben von Metallica bestohlen worden zu sein. Alle Die-Hard-Fans haben sich gefragt, wer diese verdammten Idioten sind. Das nächste Mal behaupten wir einfach, dass Manowar und Iron Maiden von uns gestohlen haben. Auch bei tief religiösen Menschen ist es so, dass man Gott nicht beleidigen darf. Es geht um Rock’n’Roll, man muss Spaß haben dürfen. Wir banalisieren alles und zumindest wir hatten Spaß damit. Und jetzt lass uns nachsehen, wie viele Leute uns heute hassen (lacht). Aber wir lieben Metallica. Ich kümmere mich aber nicht um solche Websites wie Blabbermouth. Das macht Nightmare. Ich bleibe lieber nackt im Bett mit Mädels.
Oder in naher Zukunft mit Erica.
Das wäre großartig! Immer ihn, nein, sie dabei zu haben. Ich sollte es zur Hermaphrodite machen, das würde doppelt Spaß machen (lacht).
Wie sehen eure Pläne für 2009 aus?
Nach dem Release Ende Jänner touren wir erst einmal durch Schweden, dann durch Europa, was für uns ungewöhnlich ist. Normalerweise machen wir es umgekehrt. Es wird eine ausführliche Europa-Tour im Frühjahr geben.
Abschließend darfst du noch ein paar abschließende Worte an unsere Leser richten:
Ich liebe die deutschen Fans, aber ich möchte euch eine Warnung mit auf den Weg geben. Hört euch „Night Electric Night“ nicht an, wenn eure Eltern in der Nähe sind, denn sie werden sich ausziehen und damit ist nicht zu spaßen. Mir ist das passiert und es war grässlich (lacht).
Danke für ein kleines bisschen Horrorshow. Und tschüss!