Tocotronic – Schall & Wahn

„Pure Vernunft darf niemals siegen“ – Verweigerung, ein Ausrufezeichen gegen Gesellschaft und Zwänge. „Kapitulation“ – der Rückzug in die Kunst des Scheiterns. Nun „Schall & Wahn“, der Abschluss der Berlin-Trilogie. Ein Kampf der Gegensätze. Liebe gegen Hass. Schuld gegen Sühne. Und vor allem: laut gegen leise. Amps auf 11, frei von der Leber weg ins krautige Universum gefeuert – der Apex ist nahe.

Über den hypnotisierenden Achtminüter „Eure Liebe tötet mich“ finden Tocotronic einen entsprechenden Einstieg. Liebe kann zerstören. Gegen Klammergriff und Unersättlichkeit. Mit ausuferndem Soloteil gegen Ende – bäumt sich ähnlich wie der etwas längere Rausschmeißer „Gift“. Sozusagen ein epischer Krautrahmen, wobei bei letzterem Parallelen zu Amon Düül deutlich werden.

Dazwischen hymnische Schönheiten („Die Folter endet nie“ mit beinahe federleichten Backings), wütend-räudige Protonen-Punk-Geschosse („Stürmt das Schloss“ – Irrsinn mit fieser Referenz) und gekünstelter Blödsinn („Bitte oszillieren Sie“ – Grube, Pendel und die Welt der Physik). Es passt ins Bild, das mit dem „When The Saints Go Marching In“-Klon „Macht es nicht selbst“ ausgerechnet der durchsichtigste Song zur ersten Single auserkoren wurde. Eine spezielle Art von Wahnsinn, die bei Tocotronic längst Methode hat.

„Schall & Wahn“ ist eine ausufernde Rockplatte, ein gefühlvolles Popalbum, ein Bekenntnis zur Finsternis, eine Ode an Wahnsinn, Zweifel und Ambivalenzen. Oder einfach ein würdiger Abschluss der fantastischen Berlin-Trilogie, die den Höhepunkt des Tocotronic’schen Schaffens darstellt. Fette Beute für den Wahn.

VÖ: 22.01.2010
Rock-o-Tronic Records (Universal Music)
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