John Legend & The Roots – Wake Up!

John Legend & The Roots

„Change“ – ein Wort, das die amerikanische Polit-Landschaft 2008 geprägt hat wie kein anderes. Nach acht Jahren Bush-Administration sollte Barack Obama Änderungen herbeiführen. In diese Aufbruchsstimmung des Wahlkampfes und der ersten anderthalb Jahre im Amt arbeiteten John Legend und Ahmir „?uestlove“ Thomson „Wake Up!“ aus – ein Album gespickt mit ’sozialbewusster Soulmusik‘ der 60s und 70s.

Gemeinsam mit ?uestloves The Roots als Backing-Band wurden zehn außergewöhnliche Funk- und Soul-Klassiker neu eingespielt, deren Protestcharakter und sozialkritischer Tenor immer noch aktuell ist. Angefangen beim großartigen „Hard Times“ von Baby Huey & The Babysitters – Wortspende von The Roots-Rapper Black Thought inklusive – geht es auf eine zeitgenössische Zeitreise, vor allem mit einem John Legend in Hochform. Ob Ballade, wütender Anti-Kriegs-Songs oder flammender Protest – Legend fühlt, was er singt, macht die Songs zu seinen eigenen.

Ankerpunkt der Zusammenarbeit von John Legend & The Roots ist das titelgebende „Wake Up Everybody“ mit Gastbeiträgen von Common und Melanie Fiona. Der Philly-Soul-Track von Harold Melvin & The Bluetones funktioniert hervorragend als erste Single, ist aber bei weitem nicht das einzige Highlight dieses gegenwartslastigen Retro-Trips. In „Humanity (Love The Way It Should Be)“ wagen sich die Musiker stilvoll in unbekanntes Dub-Territorium vor, meistern aber auch diese Herausforderung mit Bravour. Im treibenden „Compared To What“ und dem angenehm schmerzerfüllten „Little Ghetto Boy“ findet man weitere neue Lieblinge.

Ganz großartig ist die Bearbeitung von Bill Withers‘ „I Can’t Write Left Handed“, das unter anderem bereits in Fatboy Slims „Demons“ gesampelt wurde. John Legend & The Roots lassen sich auf eine knapp zwölfminütige Achterbahnfahrt ein, die das melancholische Original deutlich trotziger und widerspenstiger erscheinen lässt. „Captain“ Kirk Douglas‘ ellenlanges Gitarrensolo setzt ein gewaltiges Ausrufezeichen, das in „Shine“, der einzigen Eigenkomposition von „Wake Up!“ (ursprünglich als Soundtrack zu „Waiting For Superman“ geschrieben), zu seiner vollendeten Form findet – ein letztes Aufbäumen zum großen Finale.

„Change“ – längst läuft nicht alles rund in der Obama-Administration. Zumindest die Musikwelt scheint von diesem neuen Freiheitsgefühl zu profitieren, wie „Wake Up!“ eindrucksvoll beweist. Die Mischung aus Revolution und Protest – die ‚alte‘ Ära, mit der John Legend & The Roots eine neue einleiten wollen – funktioniert auf Albumlänge durch hervorragende Songwahl, starke Arrangierung und fantastische Vocals. Was vielleicht noch wichtiger ist als die Leistung der Protagonisten dieses Albums: man bekommt Bock die Originale zu entdecken – Mojo #202 lässt grüßen.

VÖ: 17.09.2010
G.O.O.D. Music / Columbia (Sony Music)

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