John Glacier – Like A Ribbon

John Glacier
(c) Jurga Ramonaite

Rapperin, Dichterin, Produzentin: John Glacier ist eine Künstlerin von vielfältigen Talenten. In eine kinderreiche, traditionelle jamaikanische Familie geboren und im Londoner Stadtteil Hackney mit Grime, Country und Reggae aufgewachsen, schien ihr die Musik in die Wiege gelegt. Und doch geht sie ihren eigenen Weg, wortreich und bestimmt. Bereits auf ihren ersten Tracks zeigte sich ein gewisses Faible für das gesprochene Wort, das die Poesie dem HipHop-Vortrag vorzieht, während die Beats die Post-Moderne mit einem Kaleidoskop konfrontieren. „Like A Ribbon“ ist das erste komplette Album.

Es geht um die „nahtlos ineinander übergehenden Fäden von Beziehungen und Verantwortlichkeiten, die das Band der modernen Existenz bilden“. Das mag sich wie starker Tobak lesen, bietet letztlich die ideale Kulisse für den legeren Vortrag Glaciers, die weniger Rapperin und mehr Spoken-Word-Künstlerin ist, ein HipHop-Poetry-Slam ohne schnippende Finger. Der starke Beat von „Money Shows“ begleitet den Flow geschickt, lässt die Gitarre wiederholt anschlagen, bevor es in der zweiten Hälfte laut und wuchtig wird. „Found“ spielt mit Club-tauglichen Sound-Collagen, die man so eher von The Streets erwarten würde. Anstatt jedoch dem Rave zu frönen, geht es Glacier um das Aufrappeln.

Widrigkreiten werden überbewertet und wegbewegt: „Dancing In The Rain“ verdichtet weiter, lässt das narrative Band vom übersteuerten Bass zerschießen und bleibt doch fragil. In „Don’t Cover Me“ sind es die Zwischentöne, die Zäsuren, die sich rund um den sich verhaspelnden Beat gesellen und auf Unvoreingenommenheit hoffen. „Ocean Steppin'“, der gemeinsame Track mit Sampha, spielt hingegen mit Dubstep und 2Step, lebt von seiner Deepness und bettet Glaciers Stimme tief im Arrangement ein. Tatsächlich verleiht ihr diese Herangehensweise deutlich mehr Gravitas und Intensität, der prominente Gast packt das Tüpfelchen auf das I.

Es braucht bloß eine halbe Stunde zur Vollkommenheit, um alles gesagt zu haben. Was John Glacier so spannend macht, ist die greifbare Ehrlichkeit, der man selbst durch den fantastischen Filter der Wirklichkeit jedes Wort abkauft. Direkt, verklärt und doch unverblümt, diese kuriose wie packende Mischung geht von der ersten bis zur letzten Sekunde vollends auf. „Like A Ribbon“ spannt seine roten Fäden, lässt Personen zusammenfinden und auseinandergehen, während magische Worte ungeschönt und aufwühlend über die Realität philosophieren. Packende, vielschichtige und angenehm andersartige Beats runden einen auf allen Ebenen überzeugenden Einstand ab und stellen eine Künstlerin, der man zuhören möchte, gekonnt vor.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 14.02.2025
Erhältlich über: Young / Beggars Group (Indigo)

Bandcamp: johnglacier.bandcamp.com
Instagram: www.instagram.com/johnglacier