Evanescence – Evanescence

Evanescence

Die Bandgeschichte der amerikanischen Alternative-Rocker Evanescence darf man getrost als bewegt titulieren. Nach dem Durchbruch mit der Single „Bring Me To Life“ und dem Album „Fallen“ im Jahr 2003 verließ Mitbegründer und Gitarrist Ben Moody urplötzlich die Truppe, angeblich wegen musikalischer Differenzen zwischen ihm und seiner Jugendfreundin, Sängerin Amy Lee. Drei Jahre Rehabilitationszeit später erschien 2006 mit „The Open Door“ ein ebenfalls erfolgreicher Nachfolger. Doch erneut spaltete sich die Band: Im Mai 2007 gab man die Trennung von Gitarrist John LeCompt und Schlagzeuger Rocky Gray bekannt. In diesem Jahr geht man also mit einer fast kompletten Neubesetzung an den Start. Das Ergebnis des selbstbetitelten dritten Studioalbums büßt jedoch qualitativ keineswegs ein.

Generell kann man sagen, dass sich Evanescence größtenteils treu geblieben sind, jedoch deutlich melodiösere und orchestralere Geschütze auffahren. Dies wird bereits beim Einsteiger „What You Want“ deutlich, der neben den vorherrschenden Drums und Rock-Riffs mit klassischen Instrumenten wie Piano und Geige nur so spielt. Auch das hymnenartige „The Change“ und besonders das interessant unangepasste „My Heart Is Broken“ mit seiner ganz eigenen, mystischen Struktur setzen auf diesen Effekt. Direkt durch die Decke geht das fordernde „Erase This“ – ein knallharter Ritt durch ein tobendes Rockgewitter, der das Pogo-Verlangen auf Festivals automatisch potenzieren sollte.

Den Ausgleich schafft die hervorstechende Ballade „Lost In Paradise“, die dank Lees kraftvoller, ausgeprägter Stimmfarbe zu überzeugen weiß, an Klassiker wie „My Immortal“ oder „Lithium“ vom Arrangement her allerdings nicht ganz herankommt. Bei „End Of The Dream“ ist der Name Programm: Bleischwere Lyrics und eine Killer-Hookline sorgen für eine düstere und angespannte Atmosphäre, der man sich andererseits jedoch nur schwer entziehen kann. Das größte Ohrwurmpotenzial des Albums besitzt eindeutig der Midtempo-Kracher „Made Of Stone“, der im Refrain seine volle Kraft entfalten kann und vor allem durch das treibende Schlagzeug im Mittelpunkt steht. Überrascht wird man beim Rausschmeißer „Swimming Home“, einem gewöhnungsbedürftigen Chill-Out-Track, der ohne jegliche Unterstützung von Rockinstrumenten auskommt, dafür jedoch mit ungewohnt elektronischen Elementen angereichert ist. Einflüsse von Björk und Enya sind hier nicht zu leugnen.

Bis auf wenige Ausnahmen wird sich der geneigte Fan mit dem neuesten Werk der fünfköpfigen Combo vollkommen identifizieren können. Ohne größeres Risiko liefern Evanescence feinste Hardrock-Kost ab und bleiben trotzdem dank Amy Lees Talent fürs Songwriting innovativ und erfrischend. Aufgrund der massiven Veränderungen innerhalb der Band in den letzten Jahren ist es umso erstaunlicher und erfreulicher, dass man sich Zeit für die Produktion genommen und nicht auf Biegen und Brechen neues Material am Fließband rausgehauen hat. Ein Umstand, der vor allem beim mehrmaligen Hören der Platte eindeutig zum Tragen kommt. Und wenn sich der Grundsatz ‚Veränderungen bringen Erfolg‘ wie bisher bewahrheiten sollte, muss man sich bei Evanescence nun wirklich keine Sorgen machen.

VÖ: 07.10.2011
Wind-up Records (EMI Music)

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