ESC 2013: „Österreich rockt den Song Contest“ mit Natália Kelly
Nach Jahren des Misserfolgs und den daraus resultierenden (bzw. selbst auferlegten) Zwangspausen versöhnte Nadine Beiler 2011 das österreichische Publikum mit dem Eurovision Song Contest. Kleine Frau, große Stimme – als Jury-Liebling schaffte sie mit „The Secret Is Love“ den Einzug ins Finale und erreichte Platz 18, die beste Platzierung seit Alf Poiers sechstem Platz 2003. Vergangenes Jahr qualifizierten sich die Trackshittaz mit ihrer Popsch-Liebhaber-Atzen-Hymne für Baku und erreichten die wenigsten Punkte aller Halbfinal-Teilnehmer, Kreuzbandriss (nicht etwa Stimmbandriss, wie man meinen möchte) bei Manuel „Manix“ Hoffelner inklusive. Anstatt sich, wie üblich, beleidigt ins stille Eck zurück zu ziehen, wagt der ORF in Malmö einen neuen Anlauf unter dem Motto „Österreich rockt den Song Contest“.
Die beiden letztjährigen Vorentscheide waren von ermattender Langatmigkeit durchzogen. Gerade 2012 lagen bis zu zehn Minuten zwischen den einzelnen Auftritten, die mit DJ-Performances, nichtssagenden Einspielern und Interviews mit „Experten“ (darunter Sido, Peter Rapp und Society-Reporter Dominic Heinzl) mehr schlecht denn recht gefüllt wurden. Dieses Jahr sollte alles anders werden mit gerade einmal fünf Acts, der breiten Masse tendentiell unbekannt, vornehmlich Newcomer. Damit der Abend ja nicht zu kurz wurde – wäre ja auch zu schön gewesen – mussten alle Teilnehmer zwei Mal ran. Bevor die eigenen Songs an die Reihe kamen, standen Neuinterpretationen vergangener Eurovision-Sieger-Songs auf dem Plan. Die Frage nach Sinn und Mehrwert: unbeantwortet. Einzig Falco Luneau setzte mit Johnny Logans „What’s Another Year“ ein kleines Glanzlicht. Am unteren Ende des Spektrums: The Bandaloops 80s-Pop-meets-Dubstep-Version von „Waterloo“ und Elijas Vergewaltigung von „Euphoria“. Immerhin passten die falschen Töne zu den hektischen Kopfbewegungen, die man in dieser Form von nach Essen suchenden Tauben kennt.
Durch die Sendung führten, einmal mehr, der langjährige ESC-Kommentator Andi Knoll und die auch in Deutschland bestens bekannte Mirjam Weichselbraun in variierenden Schattierungen der Peinlichkeit. War man zunächst noch darauf bedacht, zügig durch die Sendung zu führen, verwarf man diesen vermutlich viel zu trivialen Gedanken schnell. Hatte der Rückblick auf vergangene Song Contests noch durchaus Charme – abgesehen von den Künstler-Vignetten der zweiten Runde waren sämtliche Einspieler gelungen – geriet Knolls Pausengespräch mit der internationalen Jury zu einem Festival der Peinlichkeiten. Gemeinsam mit der serbischen Siegerin aus dem Jahr 2007, Marija Šerifović, versuchte er sich an einem Duett ihres Siegersongs „Molitva“, inspirierte Echo-Produzent Gerd Gebhardt zu halbgarem Cascada-Bashing und sprach mit Musical-Darsteller Anton Zetterholm über die Begeisterung Schwedens für den ESC. Ebenfalls stilsicher: Knoll moderiert den Gewinnersong mit einer Art Unterhose am Kopf an, während sich Weichselbraun das Stirnband des Elija-Drummers anzieht und treffend bemerkt: „Ich schau aus wie ein Volltrottel.“ Vor dem Fernsehgerät fühlte man sich ähnlich.
In der zweiten Runde wurde es ernst, die fünf Teilnehmer präsentierten jene Songs, mit denen sie nach Malmö fahren wollten. Falco Luneau entschied sich für Snow Patrol-Pop ohne eigene Note. „Rise Above The Night“ war, im Gegensatz zu seiner Johnny Logan-Darbietung, gähnend langweilig, schmerzte aber wenigstens nicht. Diesen Part übernahmen, wie schon in Runde eins, The Bandaloop und Elija. Erstere versuchten sich mit „Back To Fantasy“ an schrägem, gesanglich bedenklichem Dance-Pop inklusive kurzem Rap-Part, während der verhinderte Rocker nie in sein „Give Me A Sign“ fand. Musikalisch bestenfalls egal, schmerzte vor allem die Kopfstimme. Einziger Lichtblick des Abends war Yelas „Feels Like Home“, das eine Antwort auf die ungestellte Frage gab, was denn mit Corinne Bailey Rae passiert sei. Zwar war auch sie gesanglich keinesfalls perfekt, der loungige Soul-Pop-Track (für Andi Knoll, warum auch immer, „Uptempo“) hatte aber jenen Charme, den dieser Vorentscheid insgesamt vermissen ließ.
Nach Malmö darf jedoch die erst 18jährige Natália Kelly. Irgendwo zwischen Ballade und mittelschnellem Pop-Drama hatte sie zumindest eine passable Stimme und gleich fünf kraftvolle Background-Sängerinnen im Gepäck. An der Performance muss jedoch noch gearbeitet werden. Windmaschine und Funkenregen wurden anständig eingesetzt, mit Jeans und fadem Top wird der Teenager der vermeintlichen Größe des Songs nicht gerecht. Auch an ihrer Mimik und ihrer Gestik muss sie noch feilen – aktuell ist das mehr Talentshow denn große europäische Bühne. Dennoch, es hätte wesentlich schlimmer kommen können. Ob man sich im ersten Semifinale am 14. Mai gegen die Konkurrenten aus Irland, Serbien, Ukraine, Kroatien und Russland durchsetzen kann, darf zumindest in Frage gestellt werden. Ein potentieller Siegersong hat dem Vorentscheid mit Sicherheit gefehlt.
http://www.youtube.com/watch?v=zrgLgMQuMaY
Nicht nur die Musik, auch die Präsentation ließ insgesamt zu wünschen übrig. Waren die Moderatoren zu Beginn noch angenehm unaufgeregt und souverän, schien die Schamgrenze von Darbietung zu Darbietung zu fallen. Die erste Runde mit den Cover-Versionen hatte keinen Mehrwert – dann doch lieber mehr Teilnehmer und mehr Tempo in der Show. Das Votingsystem war durchsichtig aber vertretbar. Jury und Publikum hatten je 100 Punkte auf die fünf Künstler zu verteilen. Sah die Jury Yela noch knapp vor Natália Kelly, sicherte sich die 18jährige mehr als ein Drittel der Publikumsstimmen. Dass während der Punktevergabe die Gesichter der jeweiligen Künstler eingeblendet wurden, hatte bei den enttäuschten Elija und The Bandaloop zumindest so etwas wie unfreiwillige Komik. Im Vergleich zu den grottig getimeten Vorentscheiden der letzten beiden Jahre ging es zumindest aufwärts. Von der Prämisse, den Song Contest zu rocken, ist man jedoch weit entfernt.
Endstand:
1. Natália Kelly – Shine 70
2. Yela – Feels Like Home 50
3. Falco Luneau – Rise Above The Night 49
4. The Bandaloop – Back To Fantasy 19
5. Elija – Give Me A Sign 16
Danke für den Bericht. Ich konnte leider nicht schauen, halte „Shine“ aber auch für eine ganz okaye Wahl – je nach Konkurrenz könnte auch das Finale drin sein.