Jaye Jayle – After Alter

Jaye Jayle
(c) Elmore

Durch einen geschickten Rückgriff blicken Jaye Jayle energisch nach vorne. Evan Pattersons Solo-Schauplatz mit Band machte im Laufe der Jahre und Alben mehrere kleine Metamorphosen durch, stets unter dem Eindruck des Weltgeschehens sowie von privaten Entwicklungen. Längst nicht jede Idee schaffte es auf die finalen Platten, und so sammelten sich nach und nach Ansätze, Fragmente, reine Gefühlsregungen an, die zuvor ihren Platz, aber auch ihre endgültige Ausdrucksform nicht finden konnten. „After Alter“ zerrt diese Eindrücke energisch an die Oberfläche und gibt ihnen gewohnt prägnanten, pointierten Rückenwind mit auf den Weg zurück.

Die beißende, geradezu ätzende Auseinandersetzung mit organisierter Religion des Openers „Father Fiction“ serviert Jaye Jayle in Reinkultur. Schroffe, noisige Skizzen und Collagen begleiten die Vocals, arbeiten sich langsam, aber bestimmt in den Vordergrund. Ein urplötzliches Umlegen des imaginären Schalters holt lautmalerische Intensität ins Rampenlicht und droht in aller Gemächlichkeit zu eskalieren. Von solch drastischen Gesten sieht das in doppelter Ausführung – einmal mit Band, einmal im Alleingang – vorhandene „Bloody Me“ ab. Und doch kann die frontale Energie des vollen Line-ups mehr als überzeugen, während die akustische Antwort zur reduzierten Coda des Albums mutiert.

Davor lauern jedoch zwei Giganten, die sich ausladenden Gefilden widmen. So nimmt „Small Dark Voices“ mehr als neun Minuten in Anspruch, wenngleich über weite Teile herzlich wenig passiert. Dieses Verschleppen lässt viel Platz für beklemmende Vokal-Akrobatik und gespenstische Chöre, aus denen schließlich ein kaputtes Finale entsteht. „HELP!“ braucht nicht ganz so lange, brennt sich mit langsamen, schwer atmenden Blues- und Americana-Schleifen dennoch gekonnt ein. Letztlich könnte „Fear Is Here“ die perfekte Überschrift dieser Platte sein, zumal dieser vergleichsweise ‚ausfomulierte‘ Song mit seiner stoischen Urgewalt nicht so schnell loslässt.

Die drastische, aufwühlende Geschlossenheit des Vorgängers fehlt dieses Mal, doch ist diese etwas andere ‚Zusammenstellung‘ selbstverständlich alles andere als schlecht. Im Gegenteil, auf „After Alter“ zeigen sich Jaye Jayle breiter aufgestellt denn je, versuchen sehr viel und arbeiten gekonnt mit Stimmungen, mit Laut-Leise-Dynamik, mit klassischer Songwriter-Kunst, aber auch mit jener noisigen Blues-Interpretation, die zuletzt im besten Sinne für Aufmerksamkeit sorgte. Über allem thront nach wie vor eine großartige Stimme, die selbst ohne große Worte so viel zu erzählen hat. Jaye Jayle zeigen sich einmal mehr hochspannend mit ihrer ureigenen Form von Katharsis im Draft-Format.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 31.01.2025
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)

Facebook: www.facebook.com/jayejayle