Chet Faker – Built On Glass
2011 nahm Nicholas Murphy aus Jux und Tollerei eine Cover-Version des Blackstreet-Klassikers „No Diggity“ auf, die sich fortan wie ein Lauffeuer durch das Internet verbreiten und den Grundstein für Chet Faker, das Soloprojekt des Australiers, legen sollte. Gefangen zwischen souligem Singer/Songwritertum und einem breiten Disco- / House-Background, entstand nach zwei EPs das unverschämt smoothe Debütalbum „Built On Glass“, auf dem kuscheliger House-Pop und post-urbaner Electro-Soul auf semi-analoge Produzententüfteleien treffen.
Kategorisierungsversuche sind bereits im Vorhinein zum Scheitern verurteilt, man kann bestenfalls versuchen, sich auf ungefähre Anhaltspunkte zu verständigen. Der Opener „Release Your Problems“ führt erst einmal die beiden erwähnten Welten – Soul und elektronischer Minimalismus – auf geschmackvolle, leicht verruchte Art und Weise zusammen. Murphy singt wie losgelöst über ein herrlich schlichtes Arrangement, das sich von der ersten Note an für Gilles Petersons Radiosendung anbietet. Etwas komplizierter wird es da schon mit „Talk Is Cheap“, der deutlich fordernderen Single, unterstützt von Backgroundchören, einem tief im Song vergrabenen Saxophon und Post-Dubstep-Beats, die neben Vocal-Samples vergleichsweise normal wirken.
Stateless hier, The Weeknd da – Murphy wärmt sich erst auf, packt für das bedrohliche „Gold“ das Falsett aus und erinnert im gefährlich nahe am Cheesyness-Abgrund balancierenden „Lesson In Patience“ für kurze Momente an den Post-Post-Whatsoever-Newcomer Jamie Isaac. Und dann ist da, mittendrin, dieses uncharakteristische „1998“. Was zunächst mit einem Percussion-lastigen Westbeech-Loop beginnt, lässt schließlich blubbernde „Sleepyhead“-ähnliche Vocal-Samples mit jüngerem Daft Punk-Schwulst kollidieren. Einzig belässt es der Australier dabei nicht, sondern verläuft sich in diesen sechs Minuten immer wieder, nimmt minimalistische House-Abzweigungen und landet schließlich bei blubbernden Higginbottom-Synthis – eine wahnwitzige und doch zu keiner Zeit erzwungen wirkende Reise.
Nicht immer ist gleich klar, wohin es in diesen 50+ Minuten gehen soll, welches Ziel das Projekt Chet Faker verfolgt. Unterm Strich bleibt eine Mischung aus elektronischen Experimenten, weichem Soul und urspünglich gehaltenen Tracks zum Träumen und Entspannen. Ob man zu „To Me“ Matratzensport ausübt oder das SlowJam-Balzritual „Melt“ in Richtung Tanzfläche trägt – auf „Built On Glass“ findet sich von allem irgendwas. So weit der Klanghorizont auch gesteckt ist, diese betont unorthodoxe Interpretation von Electro-Soul gehört zu den charmanten Überraschungen des bisherigen Jahres.
Built On Glass
VÖ: 11.04.2014
[PIAS] Cooperative / Future Classic (Rough Trade Distribution)
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