Soul Glo – Diaspora Problems

Soul Glo
(c) Mitchell Wocjik

Über fünf Jahre konzipiert und mitten in der Sommerhitze 2021 zwischen einem unfertigen Lagerhaus und dem eigenen Proberaum aufgenommen: Soul Glo wollten, dass auf ihrem vierten Album alles stimmt. Hardcore Punk, so das Quartett aus Philadelphia, stehe an der Schwelle zu einer klanglichen Revolution. Neue kulturelle Identitäten halten Einzug, der Sound verändert sich, ebenso dessen Ausdrucksformen. „Diaspora Problems“ behandelt Selbsthass und Selbstzweifel eines Künstlers, verarbeitet Traumata und sucht nach sozialer Gerechtigkeit zwischen institutioneller und staatlicher Gewalt sowie der Kraft der eigenen Gemeinschaft.

Hardcore Punk und klangliche Revolution, da war doch was … Refused-Vergleiche drängen sich auf und sind gar nicht einmal so verkehrt. Soul Glo brechen vorhersehbare Konstrukte auf, wenn das wuchtige, druckvolle „Thumbsucker“ mit Brass-Unterstützung durchrattert oder „Driponomics“ zum HipHop-Crossover-Track mutiert. Letzterer Track fällt gekonnt aus dem Rahmen, wobei der manische, pulsierende Basslauf doch irgendwie typisch ist. Im Anschluss scheint „(Five Years And) My Family“ ein wenig Synthetik mitzunehmen, nur um die Schleusen zu öffnen. Ein anfangs sonniges Riff wird immer hektischer, bis der Track geschickt aus dem Ruder läuft.

Dass unorthodoxer Wahnsinn zu erwarten war, deutete „Jump!! (Or Get Jumped!!!)(by the future))“ bereits an. Die erste Auskopplung lebt und atmet nervöse Energie, packt am Höhepunkt ein wenig HipHop aus (dieses Mal jedoch in Post-Hardcore-Chaos eingeflochten) und sackt nach abermaliger Eskalation schließlich zusammen. Dort lauert bereits „GODBLESSYALLREALGOOD“. Ein wirrer Stream of Consciousness wirft gefühlt hundert Ideen gleichzeitig an die Wand, schlägt wild um sich und findet in der konsequenten Entladung Methode. „Gold Chain Punk (whogonbeatmyass?)“ als Screamo-Einschub steht mit betonter Lässigkeit über den Dingen, röhrt verwegen und packt letztlich den Dreschflegel aus.

Diesen Husarenritt muss man erst einmal sacken lassen. Die revolutionäre Energie von Refused ist vorhanden, keine Frage, trifft auf die kritische Stimme von Public Enemy und den chaotischen Wahnsinn früher Converge. „Diaspora Problems“ ist in jeder Hinsicht ordentlich starker Tobak, ein Paradebeispiel für clevere Eskalation mit Methode, von unzähligen Ideen und Gedanken gleichzeitig bedacht, stets der Selbstzerfleischung nahe. Tatsächlich brechen Soul Glo Hardcore-Punk-Erwartungen mit Methode auf und finden konstant frische Ansätze in einem ohnehin hochgradig flexiblen Genre. Ihre vierte LP ist zugleich ihre beste. Bis jetzt.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 25.03.2022
Erhältlich über: Epitaph Records (Indigo)

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